Ukraine-Krieg

Militärexperte fordert europäisches Energieembargo

Ein europäisches Energieembargo sei nach Ansicht des Militäranalysten Gustav Gressel nicht nur „sehr hilfreich“, sondern auch technisch und wirtschaftlich möglich.

Der Militäranalyst Gustav Gressel würde ein europäisches Energieembargo für "sehr hilfreich" erachten. Es wäre auch "möglich - technisch und wirtschaftlich, entgegen dessen, was die OMV, RWE und andere sagen", erklärte er. Um den russischen Präsidenten Wladimir Putin im Krieg gegen die Ukraine zum Einlenken zu bewegen, müsse der Druck deutlich erhöht werden. "Der Energieexport ist das Vermögen, das den gegenwärtigen Krieg zu führen, aufrechterhält."

»"Der Energieexport ist das Vermögen, das den gegenwärtigen Krieg zu führen, aufrechterhält."«

Militäranalyst Gustav Gressel

Gressel kann sich nicht vorstellen, dass Russland aufhören würde, Öl und Gas zu liefern, sollte Europa die Forderung nach einer Zahlung mit russischem Rubel nicht erfüllen. Ohne Energielieferungen würde Russland nach Ansicht des in Salzburg geborenen Experten von der Denkfabrik European Council on Foreign Relations in Berlin nämlich "pleitegehen". Der Ausfall sei für Moskau kurzfristig nicht substituierbar, es fehle auch an Infrastruktur und Kapazitäten.

Erst bis etwa 2030 könnte es Russland schaffen, europäische Exportpartner zu ersetzen. Daher erachtet Gressel die Ansage des Kreml eher als "Kräftemessen" und ein "Vortasten, wie einig sich die Europäer wirklich sind und ob sie auch ins Eingemachte gehen würden". Mit einem Eingehen auf die Forderung würde Europa "seine eigenen Sanktionen unterlaufen".

„Ein Krieg will auch finanziert werden“ 

Die westlichen Sanktionen hätten Russland geschadet, "aber es nicht auf den Boden geworfen". Ein Energieembargo, dem sich Länder wie Österreich und Deutschland jedoch widersetzen, wäre in zweierlei Hinsicht "hilfreich", meint Gressel. Es mindere die Durchhaltefähigkeit Russlands als militärische Macht, "weil ein Krieg auch finanziert werden will".

Und zweitens gehe es um die Frage, "wie wir aus diesem Krieg herausgehen". Soll die Lösung ein Waffenstillstand à la Minsk sein oder ein echter Frieden? Derzeit sehe es so aus, als würde sich Moskau mit einer Lösung wie bei den Minsker Vereinbarungen zufriedengeben.

Aber ein Waffenstillstand à la Minsk bedeutet laut Gressel auch, dass sich die Beteiligten uneinig seien, wie er implementiert werde, dass es von Grund auf Auffassungsunterschiede gebe und der Konflikt nur eingefroren werde. Die Ukraine bleibe damit militärisch instabil, was wiederum Investoren abschrecken würde. Die Lebensfähigkeit Kiews und die ökonomische Wiederaufbaufähigkeit der Ukraine wären stark eingeschränkt. "Und das wäre für die Europäer auch langfristig teurer als eine Wirtschaftskrise infolge eines Gasembargos".

Gressel schlägt „Kalten Frieden“ vor

Gressel schwebt dagegen ein sogenannter "Kalter Frieden" zwischen der Ukraine und Russland vor, bei dem es wohl gegenseitiges Misstrauen gebe, der aber einen Abzug der russischen Truppen aus den frisch eroberten Gebieten vorsehe. Es brauche eine Grenze, deren Verlauf beiden Seiten klar sei, und keine Front. Um Russland dazu zu bringen, bräuchte es einen höheren Druck auf Moskau, sagt Gressel: Durch Militärhilfe für die Ukraine und eben einem Stopp der Öl- und Gasimporte.

Ein Energieembargo würde eine Planungsänderung in Europa notwendig machen, betont Gressel. Der freie Markt müsste temporär ausgesetzt werden. "Wir bräuchten eine Koordinierung auf europäischer Ebene über die Verteilung von Gas, wir bräuchten gemeinschaftliche Einkäufe durch die Europäische Kommission." Dies sei notwendig, um Preisspitzen in finanzschwachen Staaten abzufedern und sich nicht gegenseitig Konkurrenz zu machen. Denn das würde zu einem europainternen "Gaskrieg" führen.

»Er hat ja schon über Jahre hinaus gesagt, dass er die Ukraine angreifen wird. Das hat aber niemand zur Kenntnis genommen."«

Militäranalyst Gustav Gressel

Außerdem müsse Europa technische Vorkehrungen treffen wie etwa den Ankauf und die Anmietung von Gas-Entladeschiffen, um Flüssiggas auch jenseits der etablierten Terminals anlanden zu können. Deutschland sei hier "faul", was auch damit zusammenhänge, dass viele Energielobbyisten im Wirtschaftsministerium säßen und ähnlich wie die OMV "zu viel zu sagen" hätten. "Die OMV gehört meiner Ansicht nach zerschlagen, um die europäische Energiesouveränität zu garantieren und ähnlich sehe ich das bei RWE und anderen."

Was Länder wie Österreich und Deutschland abgesehen von einem Nein zu russischem Öl und Gas noch tun könnten, seien Waffenlieferungen an die Ukraine. Von Österreich erwartet Gressel in dieser Hinsicht allerdings nichts. Es sei jedenfalls auch im Sicherheitsinteresse Europas, die imperialen Ambitionen des russischen Präsidenten Wladimir Putins möglichst früh zu bremsen.

Atomwaffen-Einsatz wenn es zum Krieg mit der Nato käme

Dass Putin Atomwaffen in der Ukraine einsetzt, erwartet der Militäranalyst nicht. Denkbar sei dies nur, wenn es zu einem Krieg zwischen Russland und der NATO käme. Der militärische Nutzen von Atomwaffen sei "gleich Null". "Die russische Armee kann in der Ukraine auch viel ohne nukleare Waffen zerstören, das sieht man an Mariupol." Es gebe kein so zentrales Ziel, das man mit einem Schlag ausschalten könnte und das eine Wende im Krieg bringen würde.

Die Folgekosten seien dafür "riesig". Selbst Staaten, die wohlwollend gegenüber Russland eingestellt seien und "Russland die Stange halten, haben relativ klare Vorstellungen davon, was sich eine Atommacht gegenüber einer nichtnuklearen Macht leisten kann und darf". Ein "unprovozierter Einsatz von Atomwaffen" gegen eine nichtnukleare Macht, wäre für Länder China "schon schwer verdaulich". Russland würde in eine noch stärkere Isolation schlittern.

Putin ist "nicht verrückt". "Er hat ja schon über Jahre hinaus gesagt, dass er die Ukraine angreifen wird. Das hat aber niemand zur Kenntnis genommen. Und die Russen haben über Jahre hinaus gesagt, unter welchen Bedingungen sie Atomwaffen einsetzen." Diese Kriterien seien jetzt "noch nicht gegeben", sagt Gressel: "Insofern ist Putin beim Atomwaffeneinsatz genauso berechenbar wie beim Angriff auf die Ukraine."

(APA/DPA)

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