Das Faymann-Paradoxon

FaymannParadoxon
FaymannParadoxon(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Dass Werner Faymann in den Umfragen weit vor Josef Pröll liegt, zeigt, dass Aktivität nicht immer hilfreich ist. Und wird dafür sorgen, dass das Klima in der Koalition zunehmend rauer wird.

Werner Faymann macht alles richtig: Werner Faymann macht nichts.

Zu diesem paradoxen Schluss muss man kommen, verfolgt man die Meinungsumfragen über Bundeskanzler Werner Faymann und jene über Vizekanzler Josef Pröll. Der Finanzminister musste in den vergangenen Wochen und Monaten de facto täglich an die vorderste Front – entweder mit dem von ihm verantworteten Budget, diversen Verhandlungen über Lehrerkompetenzen oder als einer der EU-Finanzminister zwecks Eindämmung der Finanzprobleme Irlands und Griechenlands. Der Bundeskanzler hingegen macht sich rar: einmal pro Woche Ministerrat. Dann war da noch die Budgetklausur, die sich aus SPÖ-Sicht ausgezahlt hat. Man hatte vorher viel gefordert und musste dann wenig an Sparmaßnahmen an die eigene Klientel weitergeben.

Die Umfragedaten sind eindeutig: Josef Pröll ist weit abgeschlagen, Werner Faymann glänzt zwar auch nicht, liegt aber klar und deutlich vorne.

Vor rund einem, eineinhalb Jahren war das Bild anders: Faymann kam auf Platz zwei kaum vom Fleck, Pröll gefiel sich in der Rolle des wahren Kanzlers, predigte eine neue (Finanz-)Politik. In der SPÖ jammerten die einen, dass Faymann nichts für die SPÖ-Wähler mache, die anderen, dass Faymann nichts gegen die Finanzkrise unternehme und sich nicht profiliere. Doch Faymann überließ die Bühne lieber Pröll.

Auch sonst verstand sich der Kanzler nicht als operativer Chef, sondern mehr als Non-playing-Captain. In den Ministerräten verblüffte er seine Regierung – vor allem die ÖVP-Mitglieder – mit einer seltsamen Angewohnheit: Er begrüßte und übernahm dann die Moderation. Einen eigenen kurzen Vortrag? Ein paar ermunternde Worte zur aktuellen politische Lage? Die Nennung drängender Probleme? Oder gar die scharfe Ermahnung, dass bei bestimmten Themen nichts passiere? Nein, das passt nicht zum vordergründig auf Konsens ausgerichteten Kanzler. Er erteilte lieber den Ministern das Wort. Maria Fekter sprach dann – etwa rund um die Causa Arigona Zogaj – besonders lange und detailreich über die Vorgänge in ihrem Ressort. Irgendwann kam die Rolle Faymanns den eigenen Leute doch komisch vor. Seither findet er ein paar Worte.

„Seine Leute“ sind vor allem eins: Medienprofis. Mehr Pressesprecher und Spezialisten für den richtigen Dreh bei Journalisten hat kein anderer in seinem Büro. Dass Josef Pröll im Gegensatz dazu bekannt ist, in seinem Kabinett die eifrigsten und erfahrensten Fachleute zu diversen sachpolitischen Einzelthemen zu haben, schützt aber nicht vor dem Absturz in der Wählergunst. Es ärgert nur die ÖVP-Berater und -Strategen besonders nachhaltig.

Schon deswegen wird das Klima in der Koalition zunehmend rauer. Eine Geschichte wird in der ÖVP besonders gern erzählt: Als die Landeshauptleute noch vor der Budgetklausur mit der Regierung über die neuen Steuereinnahmen verhandelten, seien es Pröll und Minister beider Parteien gewesen, die versuchten, sich gegen den Länderzugriff auf die Mittel zu stemmen. Faymann hingegen habe alle begrüßt und dann die jeweiligen Positionen zusammengefasst. Die Länder zogen als Sieger vom Platz. „Wie wenn er der Heinz Fischer sei“, verglich einer aus dem Kreis der Landeshauptleute später sichtlich amüsiert, als er vom Erfolg erzählte.

Doch auch Fischer wählen die Bürger, müsste man antworten. Politiker, die für Streit stehen, haben es nicht leicht im sozialpartnerschaftlichen Österreich. Daher müsse der Kanzler ab sofort persönlich in Auseinandersetzungen verwickelt werden, glaubt man in der ÖVP. Frei nach dem Motto: Wenn wir aus eigener Kraft nicht überholen können, patzen wir ihn an. Den ersten – aufgelegten – Angriffen gegen Faymann wegen der Abqualifizierung einer budgetwirksamen Verwaltungsreform als Unsinn und Illusion werden weitere folgen, so viel steht fest. Mögliche Konfliktfelder sind der ORF, den die SPÖ laut ÖVP-Darstellung zur Vorfeldorganisation umbauen will, die Lehrer-Länder-Diskussion, die Budgetsanierung und mögliche Steuererleichterungen für Leistungsträger, wie es ein ÖVP-Stratege formuliert. „Wir müssen mehr für unsere Leute tun.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Lehrerstreit Voves Kompromissvorschlag
Schule

Lehrerstreit: "Auf höchster Ebene verhandeln"

Die Landeshauptleute halten die Schuldebatte am Köcheln. Franz Voves bringt einen Kompromiss ein. Die Frage soll mit Kanzler, Vize und Ministerin verhandelt werden.
Schule

Experte: Bildungsdirektionen "fast Geschmacksfrage"

Wichtigster Grundsatz in der Schuldebatte laut Verfassungsrichter Lienbacher: Aufgaben- und Ausgabenverantwortung müssten gekoppelt werden, damit derjenige, der entscheidet, auch dafür zahlt.
Schmied Karl fuer mehr
Schule

Schmied und Karl für mehr Schulautonomie

Unterrichtsministerin Schmied tritt weiter für Bundeskompetenz im Schulbereich ein, Wissenschaftsministerin Karl für einen "wohldurchdachten Föderalismus" und mehr Autonomie für die Standorte.
Innenpolitik

Schule: Prölls Kniefall oder Erfolg über Länder?

Was trieb Josef Pröll zum Schulterschluss mit den VP-Landeshauptleuten? Pröll glaubt inhaltlich im Gegensatz zu den meisten Bildungsexperten des Landes tatsächlich an die neue ÖVP-Linie.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.