Duale Studien

Theorie und Praxis perfekt verzahnt

Eine Studierende der FH St. Pölten erlangt in einer Pilotfabrik Wissen, das in Partnerunternehmen eingebracht werden kann.
Eine Studierende der FH St. Pölten erlangt in einer Pilotfabrik Wissen, das in Partnerunternehmen eingebracht werden kann. TU Wien
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Wer dual studiert, kann theoretisches Wissen, praktische Erfahrung und fachliches Know-how erwerben. Oft gibt es den Bachelor mitsamt Lehrabschluss dazu.

Die Praxis im Betrieb und die Theorie an der Fachhochschule erwerben – das ist das Konzept von dualen Studiengängen. „Ab dem dritten Semester wechseln Theoriephasen an einer FH mit Praxisphasen in einem Partnerunternehmen ab“, erklärt Thomas Felberbauer, Studiengangsleiter des dualen Studiengangs Smart Engineering an der FH St. Pölten. Gemeinsam mit den Unternehmen werden für die Praxis Projektthemen und die dazugehörigen Projektschritte definiert. „Das kann man sich wie ein Drehbuch vorstellen“, sagt Felberbauer. Dass Dauer und Intensität der Praxis weit über die Praktika bei klassischen Vollzeitstudien hinausgehen, ist aber nur ein Vorteil der dualen Studien. Ein anderer ist, dass die Studierenden während des Studiums bei den Partnerunternehmen, meist für 20 bis 25 Wochenstunden, angestellt sind. Das bedeutet nicht nur ein regelmäßiges Einkommen, sondern auch tiefe Einblicke in den jeweiligen Betrieb. „Die Studierenden durchlaufen in der Regel mehrere, wenn nicht gar alle Abteilungen“, sagt Felberbauer.

Doch auch die Unternehmen profitieren: „Eine firmeninterne Fachkräfteausbildung versetzt jedes Unternehmen in die Lage, dem branchenbezogenen Fachkräftemangel entgegenzuwirken“, sagt Gerhard Zummer, Head of Siemens Professional Education bei Siemens Österreich. Der Konzern bietet seit 2018 in Kooperation mit der FH St. Pölten die Möglichkeit zu ausbildungsintegrierten dualen Studien an. „Nach sechs beziehungsweise sieben Semestern haben die Studierenden dann nicht nur einen Bachelor, sondern auch einen Lehrabschluss in der Hand“, sagt Zummer.

Nicht zuletzt könnten die Unternehmen die Ausbildung mitgestalten, ergänzt Franz Geiger, Studiengangsleiter Elektrotechnik Dualan der FH Vorarlberg und Vorsitzender der Plattform Duales Studium Österreich. Er ist zudem davon überzeugt, dass die Möglichkeit zum dualen Studium die Attraktivität als Arbeitgeber erhöhe. Außerdem würden Betriebe die zukünftigen Fachkräfte und deren Potenziale während der Praxiszeiten kennenlernen. Auch für die Fachhochschulen sei ein dualer Studiengang ein Alleinstellungsmerkmal, sagt Felberbauer. Denn in den letzten zehn Jahren sei der FH-Sektor stark gewachsen. „Mit einem dualen Studium können wir uns vom Mitbewerb abheben“, so der Studiengangsleiter. Wobei diese Studienform nach wie vor ein Nischenprodukt sei.

Aktuell bieten hierzulande sieben FH zehn duale Bachelor- sowie zwei Masterstudiengänge – alle mit Schwerpunkt Mint. „Wir haben das Problem, dass Technik nicht so gefragt ist wie beispielsweise Physiotherapie oder Sozialberufe“, bedauert Felberbauer. Duale Studien seien noch „ein zartes Pflänzchen“, sagt auch Geiger. „Es kommt immer wieder vor, dass sie mit einer Lehre und nicht mit einem Hochschulstudium assoziiert werden“, sagt der Vorsitzende der Plattform Duales Studium Österreich. Voraussetzung für ein duales Studium ist grundsätzlich die Zugangsberechtigung zu einer heimischen Hochschule, also Matura oder Studienberechtigungsprüfung. Wer eine Lehre abgeschlossen hat, kann bei einigen berufsspezifischen Angeboten nach Ablegung einiger Zusatzprüfungen ebenfalls dual studieren.

Im besten Fall bleiben sie

Anders als die Fachhochschulen setzen Österreichs Universitäten bisher noch nicht auf Duale Studien. Unternehmen, etwa aus dem Lebensmittelbereich, die ihren Mitarbeitern diese Ausbildungsform anbieten, kooperieren daher mit deutschen Universitäten. Der Diskonter Lidl beispielsweise bietet unter anderem gemeinsam mit der DHBW Heilbronn seit etwa zehn Jahren die Möglichkeit zum dualen Studium im Bachelor-Studienfach BWL–Konsumgüterhandel. „Der Vorteil ist, dass wir die Studierenden direkt bei uns ausbilden können. Sie erhalten tiefe Einblicke in das Unternehmen und lernen die jeweilige Tätigkeit quasi von der Pike auf. Und am Ende der Ausbildung steigen sie direkt als Führungskraft in das Unternehmen ein, etwa als Verkaufsleiter“, heißt es dazu bei Lidl. Das Interesse sei groß, das Angebot werde gut angenommen. „Wir konzentrieren uns bei der Ausbildung auf ein bis zwei Studierende pro Regionalgesellschaft.“ Mitbewerber Hofer wiederum bietet Berufseinsteigern die Möglichkeit, neben ihrer Arbeit als Regionalverkaufsleiter gleichzeitig dual den Master-Abschluss an der ESB Business School der Hochschule Reutlingen bei Stuttgart zu erwerben.

Dual Studierenden werden somit sämtliche Werkzeuge in die Hand gegeben, die sie für ein erfolgreiches Berufsleben benötigen. „Den hervorragend ausgebildeten jungen Menschen stehen eine Menge Türen und Karrieremöglichkeiten offen. Die Herausforderung ist, sie bestenfalls für das eigene Unternehmen zu gewinnen“, sagt Zummer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2022)

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