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"The Bubble": Gefangene des Luxusfilmsets

Alles nur gefakt: "The Bubble" von Judd Apatow.
Alles nur gefakt: "The Bubble" von Judd Apatow.(c) Netflix
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In Judd Apatows Netflix-Komödie „The Bubble“ versucht ein bunter Hollywood-Haufen, im Lockdown einen Blockbuster zu drehen. Eine Pointenparade bar jeder Illusion.

Ein Filmset ist vermutlich immer eine Art Bubble – eine von der Außenwelt abgeschiedene Blase, innerhalb derer andere Regeln gelten als außerhalb. Wer Teil dieser Bubble ist, hat sich der gemeinsamen Mission, dem Film, unterzuordnen. Sei es nun der arrivierte Schauspieler (David Duchovny), der seine Rolle verachtet und das Drehbuch am liebsten eigenhändig umschreiben würde. Sei es die junge TikTok-Sensation (Iris Apatow), die den Sprung auf die große Leinwand schaffen, gleichzeitig aber ihre Internet-Fanschar nicht enttäuschen will – und daher „down to earth“ bleiben muss. Sei es der Regisseur (Fred Armisen), der mit einem skurrilen Sundance-Hit auf sich aufmerksam gemacht hat, jetzt aber für ein hoch budgetiertes Special-Effects-Spektakel verpflichtet wurde – und dementsprechend unter Dauerdruck steht.

In Judd Apatows neuer Komödie kommt freilich erschwerend hinzu, dass der fiktive Film, von dessen Dreharbeiten „The Bubble“ handelt, während der Frühphase der Covid-19-Pandemie produziert werden soll. Das hat zur Folge, dass sich die Blase um Cast und Crew des prospektiven Dinosaurier-Blockbusters „Cliff Beasts 6“ verhärtet.

Wer auf das Set will, muss erst einmal zwei Wochen Quarantäne über sich ergehen lassen – in einem Luxushotel, das jedoch auf Befehl der Studio-Obersten peu à peu zum Hochsicherheitsgefängnis ausgebaut wird. Die Folge ist, wenig überraschend, ein kollektiver Lagerkoller. Die Versuche, diesen mit sexuellen Eskapaden und jeder Menge weißen Pulvers zu lindern, machen die Sache (ebenfalls wenig überraschend) nur noch schlimmer.

Page und Star sitzen in derselben Blase

Judd Apatows Filme waren schon immer mehr vom Ensemble als von einer einzelnen, stringenten Erzählung her gedacht. In „The Bubble“ geht er diesbezüglich noch einen Schritt weiter. Der zunehmend aus dem Ruder laufende Dreh von „Cliff Beasts 6“ gibt lediglich eine grobe Struktur vor, um die herum sich eine solche Vielzahl von Handlungssträngen anordnet, dass es bald kaum noch möglich scheint, Haupt- von Nebenfiguren zu unterscheiden.

Allein schon, weil selbst vermeintlich zentrale Charaktere von einer Minute auf die andere aus dem Film verschwinden können – etwa, weil ein durchgeknallter Wachmann ihnen ein paar Finger von der Hand schießt. Andersherum entwickelt sich aus dem scheinbar nebensächlichen Aufreißversuch eines gelangweilten Schauspielers (Pedro Pascal) die vielleicht einzige dauerhaft haltbare emotionale Bindung im gesamten Film.

Ob die locker gewebte, in Teilen fast improvisiert anmutende Pointenparade nun der Utopie einer demokratischeren Form des Filmschaffens verpflichtet ist, in der Hotelpagen ebenso viel Aufmerksamkeit geschenkt wird wie den Superstars im Rampenlicht, oder ob sie lediglich die Maxime des Hollywood-Studiosystems illustriert, dass letztlich jeder ersetzbar ist – diese Frage bleibt bis zum Ende offen.

Vermutlich ist genau das eine Stärke von „The Bubble“ – der Film macht sich keinerlei Illusionen. Nicht über die knallharten Machtverhältnisse in der Entertainmentbranche: Während ihre Angestellten unter dem Corona-Kontrollregime Dinosaurierfilme drehen, jettet die Studiochefin (Kate McKinnon) der Pandemie zum Trotz fröhlich um die Welt. Und auch nicht über die großen und kleinen Lebenslügen, die es allen Beteiligten ermöglichen, gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

Gleichzeitig wendet sich dieser klarsichtige Zynismus nie gegen die Menschen selbst. Dass wir alle in unserer eigenen „Bubble“ leben, dass wir alle, andauernd, Rollen spielen, unter denen wir leiden, aus denen wir dennoch nicht ohne Weiteres aussteigen können, weil die Welt da draußen ohne unsere schützenden Blasen schlicht zu kalt und zu gefährlich wäre – diese Erkenntnis kann, so banal sie sich auch anhören mag, lebensrettend sein. Nicht nur, aber ganz besonders in Zeiten von Corona.

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