Das Ministerium für Staatssicherheit, „Schild und Schwert der Partei“, wollte die totale Kontrolle über die DDR-Bürger – auch über ihre in Gedichten ausgedrückten Gedanken.
Geschichte

Wenn die Stasi unter die Dichter geht

Vor vier Jahrzehnten gründete die gefürchtete Geheimpolizei der DDR für ihre Mitarbeiter einen Lyrik-Workshop. Ein neues Buch wirft ein Licht auf dieses gleichermaßen groteske wie abgründige Unterfangen.

An einem Oktobertag des Jahres 1982 wandte sich ein hagerer Mann mit Existenzialistenbrille und spitzer Nase in einem Konferenzsaal der Berliner Kaserne des Stasi-Wachregiments Feliks Dzierzynski an 15 Männer, manche in Uniform, einige in Zivil, und sprach diese Worte: „Liebe Mitstreiter! Heute werden wir etwas über das Sonnett lernen.“

Mit dieser bizarren Szene beginnt „The Stasi Poetry Circle“, das kürzlich erschienene Buch des Berliner „Guardian“-Korrespondenten Philip Oltermann, in welchem eine bemerkenswerte und bisher wenig beachtete Episode der DDR-Geschichte beschrieben wird. Ende der 1970er-Jahre begann das Ministerium für Staatssicherheit, besser als Stasi bekannt, ein Lyrikprogramm für ausgewählte Kadermitglieder. Die großteils sehr jungen Grenzbeamten, Wachsoldaten und sonstigen Funktionsträger wurden dabei in allen Formen der Lyrik unterrichtet, von einem der prominentesten Staatskünstler der DDR: dem Dichter Uwe Berger. In Bänden mit klingenden Namen wie „Wir über uns“ veröffentlichte diese „Kreisarbeitsgemeinschaft dichtender Tschekisten“ ihre poetischen Ergüsse.

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