Wiener Festwochen

Mozarts Totenmesse, diesmal mit Volkstanz

Palmwedel in der Hand, Adams Schädel auf dem Boden: ein Bild aus Castelluccis Requiem- Inszenierung.
Palmwedel in der Hand, Adams Schädel auf dem Boden: ein Bild aus Castelluccis Requiem- Inszenierung.Wiener Festwochen
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Hüpfen zum „Dies irae", Gesichtsbemalung zum „Tuba mirum", Autopanne zum „Sanctus": Bei den Wiener Festwochen scheitert Romeo Castellucci daran, Mozarts Requiem zu säkularisieren. Mit großen Bildern, natürlich.

Mit einem denkwürdigen Intro hatte Romeo Castellucci seine letztjährige Inszenierung des „Don Giovanni“ in Salzburg begonnen: Bevor das Spiel und die Musik ihren Lauf nahmen, ließ er die Bühne, zunächst als Kirchenraum eingerichtet, vor den Augen des Publikums leer räumen. Eine rituelle Säkularisierung, auch kulturgeschichtlich tief sinnvoll: Eine der Wurzeln des europäischen Theaters ist liturgisches Geschehen, ist die Passion. Die menschlichen Leidenschaften, die das Theater behandelt, überlagern diese, nehmen ihren Platz ein.

Mozarts Requiem ist eine Totenmesse, ein liturgisches Stück. Man kann es nicht inszenieren, es weltlich zu bebildern ist eine Anmaßung, jedenfalls ein gewagtes Unterfangen, es kann nie ganz gelingen. Das macht nichts, man kann es dennoch versuchen. Castellucci hat es versucht, mit der ganzen Macht seiner Bilder, mit seiner großen Kunst, die ihren Eindruck kaum je verfehlt. Dass er am Requiem dennoch scheitert, liegt vor allem daran, dass er dessen Inhalt nicht ernst nimmt. Es läuft neben seinen Bildern, soll heißen: Seine Bilder laufen neben dem Requiem. Nach einer stillen Anfangsszene, in der eine Frau sich vor dem Fernseher schlafen – oder sterben? – legt, und halbdunklen Riten zu Mozarts Meistermusik, einem Miserere mei und – endlich! – dem Introitus des Requiems setzt parallel zur unerbittlichen Fuge des Kyrie ein schriftlicher „Atlas des großen Sterbens“ ein, der sich bis zum Schluss ziehen wird, ohne erkennbaren Zusammenhang mit dem Text des Requiems: Auf die Bühne werden Zeilen projiziert, die erzählen, was alles die Welt verlassen hat. Ausgestorbene Tiere, Völker und Sprachen, verblichene Religionen, zerstörte Städte und Gebäude. Alles vergeht, alles ist hin, man versteht.

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