Gastkommentar

Hilft da nur die Psychotherapie?

Covid-Folgen. Wie soll man dem Anstieg von psychischen Problemen begegnen? Etwa mit der Aufwertung psychologischer Beratung.

Wolfgang Mückstein hat vor seinem Rücktritt als Gesundheitsminister noch 13 Mio. Euro zur Stärkung der Hilfsangebote gegen psychische Covid-Folgen vor allem bei jungen Menschen angekündigt. Damit sollen u. a. der Bundesverband für Psychotherapie und der Verband Österreichischer PsychologInnen gestärkt und „mehr Betten“ in der Kinder- und Jugendpsychiatrie ermöglicht werden.

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Zugleich bietet etwa der Philosoph Alfred Pfabigan Beratungen in seiner Philosophischen Praxis an und signalisiert damit, dass es in diesen Fällen auch Alternativen zu einer therapeutischen Behandlung gibt. Nicht vergessen werden darf nämlich, dass eine Psychotherapie laut Gesetz eine „krankheitswertige Störung“ voraussetzt, was bei Covid-Folgen oft nicht der Fall ist (außer beim Auftauchen psychischer Probleme, die latent schon da waren). Nicht jede aus lebensgeschichtlichen oder gesellschaftlichen Umbrüchen resultierende Krise ist also eine krankheitswertige Störung. Zudem bedeutet die „Psychotherapeutisierung“ (oder erst recht die „Psychiatrisierung“) all dieser Probleme immer auch ein Stück individueller Pathologisierung gesellschaftlicher Krisen und Umbrüche.

Sicher besteht kein Zweifel, dass es ein Recht auf psychotherapeutische Hilfe „ebenso wie auf lebensrettende chirurgische“ braucht, wie es Freud schon vor rund 100 Jahren forderte, und dass es davon zu wenig gibt: Die Österreichische Gesundheitskasse etwa zahlt in der Regel bis heute pro Stunde nur 28 Euro Zuschuss (1990 bei Einführung des Psychotherapiegesetzes waren es 21,80 Euro). Bei 90 Euro oder mehr Honorar können sich das viele Menschen nicht leisten.

Zugleich fristen nicht psychotherapeutische Hilfsangebote nach wie vor ein Randdasein, etwa die Lebens- und Sozialberatung (LSB), wozu die Ausbildung in Österreich demnächst noch professionalisiert wird. Diese Art Beratung wäre in vielen Fällen auch die geeignetere Antwort auf solche Krisen: Sie macht Mut, eröffnet neue Perspektiven und Ressourcen und verstärkt die soziale Integration. Wer diese Dienste beansprucht, bekommt bislang nicht einmal den läppischen Psychotherapie-Zuschuss!
Dies ist eine sachlich völlig unverständliche Diskriminierung nicht nur eines Berufsstandes, sondern auch jener Ratsuchenden, die mit Krisen nicht allein zurechtkommen – was bei vielen der coronabedingten Probleme zutrifft.

Auch der Ruf nach „mehr psychiatrischen Betten“ (was soll ein nicht kranker Jugendlicher im Bett?) greift hier – wenngleich es generell zu wenig klinische Plätze für Kinder und Jugendliche gibt – zu kurz. Stattdessen wären auch andere begleitend zur Seite stehende, womöglich sogar billigere Maßnahmen zu fördern (z. B. nicht psychiatrische Formen des Zusammenlebens, Wohngruppen usw.).
Psychologisch-psychotherapeutische Behandlung ist keine psychosoziale „Königsdisziplin“, wenn sie nicht indiziert ist. Die geplante Neuordnung der Ausbildung in psychosozialer Beratung soll wissenschaftsbasiert und berufspraktisch sein und in eine internationalen Standards entsprechende staatliche Befähigungsprüfung münden, wie sie in anderen Gesundheitsberufen schon lang besteht.

Mit dieser Aufwertung entsteht auch ein transparenter Qualitätsanspruch, der diese Beratungstätigkeit als professionelles Berufsfeld stärkt. Anbieter wie Ratsuchende sollten deshalb analog zum psychotherapeutischen Bereich endlich eine gesundheitspolitisch gerechte Förderung erhalten – auch und gerade angesichts der Corona-Folgen.

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