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"Introduction": Die leise Peinlichkeit des Seins

"Introduction" von Hong Sang-soo.
"Introduction" von Hong Sang-soo.(c) Jeonwonsa Film Co.Production
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Mit der tragikomischen Miniatur „Introduction“ setzt Autorenfilmer Hong Sang-soo sein Lebenswerk fort. Ein Glanzpunkt.

Die Arbeiten des südkoreanischen Autorenfilmers Hong Sang-soo versetzen Rezensenten in eine missliche Lage. Einerseits wurde schon so viel über den mehrfach preisgekrönten Vielarbeiter mit seinen Variationen über Scham und existenzielle Verlorenheit geschrieben, dass man kaum noch neue Gedanken formulieren kann. Andererseits haben sich seine Filme trotz ihrer relativ zugänglichen, locker-komödiantischen Bauart dem Publikum jenseits der internationalen Festivalkultur nie wirklich erschlossen.

„Introduction“: So heißt der Hong-Film, der ab Freitag in heimischen Kinos läuft. Die zutiefst melancholische Miniatur markiert einen weiteren Glanzpunkt im Œuvre des philosophischen Trinkers und verkappten Surrealisten. In nur knapp mehr als einer Stunde, in schlichtem Schwarz-Weiß und mit den obligatorischen Hong-Motiven (verhuschte Saufgelage, fallender Schnee) entfaltet er ein hochkomplexes Geflecht generationsübergreifender Beziehungen.

Seine typischen, den peinlicheren Aspekten menschlicher Kommunikation ausgelieferten Figuren sind älter geworden. Sie sind Eltern und sollten Vorbilder sein. In lose verbundenen, dialoglastigen Momentaufnahmen zwischen Seoul und Berlin zeigt Hong die Verlorenheit Young-hos, eines jungen Möchtegern-Schauspielers, der von den Älteren nicht das bekommt, was er bräuchte. Sein Vater, ein an einer Sinnkrise laborierender Arzt, hat keine Zeit für ihn – und ein Theaterschauspieler verliert sich in besserwisserischem Narzissmus, statt den jungen Mann an der Hand zu nehmen. In Deutschland besucht Young-ho (zum Missfallen von deren Mutter) eine Freundin, die dort ein Modestudium beginnen will.

Die Wahrheit liegt im Unbedeutenden

„Introduction“ skizziert die vielen Umwege menschlichen Austausches, die Aufschübe, verklausulierten Verhaltensweisen und Verdrängungen. Immer wieder umarmen sich Menschen, hilflos in der Kälte stehend. Ihre Annäherungen wirken steif, aber aufrichtig. Der Filmemacher setzt diese linkischen Interaktionen in präzise Bilder, mit seinen berüchtigten, abrupten Zooms – aber vor allem mit großem Gespür für Raum und Zeit.

Stets fransen die Begegnungen in Hongs Filmen aus, verlieren sich im scheinbar Unbedeutenden. Nur im Traum und unter Alkoholeinfluss offenbaren sich die wahren Gefühle der Figuren. Auch „Introduction“ ist ein Film über versehrte Menschen, die nach Heilung suchen. Er ist ernster als manch anderes Werk des Regisseurs – und fügt sich doch nahtlos in dessen Lebensprojekt, das inzwischen schon über 30 Titel fasst. „Introduction“ wird die Lust an seinem Kino sicher nicht verringern.

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