Familiensaga

„Pachinko“: Vom Leben unter japanischer Herrschaft

Vorlage der Serie ist der gleichnamige Roman der amerikanisch-koreanischen Schriftstellerin Min Jin Lee.
Vorlage der Serie ist der gleichnamige Roman der amerikanisch-koreanischen Schriftstellerin Min Jin Lee. (c) Juhan Noh
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Wenig weiß man hierzulande über Japans Kolonialherrschaft über Korea. Die Serie „Pachinko“ erzählt gefühlvoll und eindrücklich, wie sie vier Generationen einer Familie prägte. Auf Apple TV+

Welche Speise kann einem Hochzeitsmahl selbst in größter Armut besonderen Glanz verleihen? Die Mutter der Braut geht zum Markt, zwischen all den Fischständen hindurch. „Ich bin hier, um weißen Reis zu kaufen“, sagt sie leise zu einem Händler, „nicht viel, nur zwei Tassen“. Sie weiß, er darf ihr den Reis eigentlich nicht geben, denn weißer Reis ist für die Japaner bestimmt. Will sie nicht Gerste? Auch Hirse könnte er ihr zur Feier des Tages geben. Doch sie besteht auf Reis, denn sie will ihrer Tochter den Geschmack des eigenen Landes schenken, bevor diese Korea verlässt und nach Japan geht.

Es ist eine zarte und intensive Szene. Sie ist eine von vielen, die in der Serie „Pachinko“ unaufdringlich die Repressalien aufzeigt, mit denen die Koreaner unter der japanischen Besatzung leben mussten. Eine Besatzung, von der wir in Europa vielleicht nicht allzu viel wissen. Die Familiensage vermittelt viel davon. Sie zeigt die Figuren in ihrem Versuch, zumindest ein wenig von ihrer Würde zu retten - in einer Welt, in der ihnen nur das Recht zur Existenz eingeräumt wird. Und oft genug nicht einmal das.

1910 übernahmen die Japaner Korea vollständig, bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs blieben sie Kolonialherren. „Pachinko“ schildert eine grausame Herrschaft und deren Nachwirken aus Sicht von vier Generationen einer koreanischen Familie. Umgesetzt wird das mit fein justierten, stimmigen Zeitsprüngen bis ins Jahr 1989: Dem Jahr, in dem der junge Karrierist Solomon Baek wegen eines wichtigen Geschäftsabschlusses aus den USA zurückkehrt zu seiner Familie. Zusammengehalten wurde diese stets von seiner Großmutter Sunja. Sie war es, die lange zuvor an ihrem Hochzeitstag weißen Reis zu essen bekam, bevor sie ihrem Mann nach Japan folgte.

Der Herr über den Fischmarkt: ein Koreaner, der für die Beatzer arbeitet.
Der Herr über den Fischmarkt: ein Koreaner, der für die Beatzer arbeitet. (c) Robert Falconer

Und sie ist es, die dem Epos trotz allem Leid einen hoffnungsvollen Ton verleiht. Minha Kim spielt Sunja als junge Frau mit ebenso beeindruckender wie bescheidener Stärke. In der Rolle der alten Sunja glänzt Youn Yuh-jung, die als „Meryl Streep“ Südkoreas gehandelt wird und im Vorjahr mit einem Oscar als beste Nebendarstellerin ausgezeichnet wurde. Die Männer wirken daneben blass. Vor allem Sunjas Sohn, der in den 80er Jahren die titelgebende Glückspielhalle mit Dutzenden Automaten betreibt: Den Pachinko, der keine große Rolle spielt.

In acht Folgen haben die aufstrebenden Regisseure Kogonada und Justin Chon, beide Amerikaner südkoreanischer Abstammung, eine Familiensage geschaffen, die nicht nur durch den fesselnden historischen Hintergrund und herausragende Schauspieler überzeugt. Sondern auch durch eindrückliche Bilder: Das Kochen vor kargen Hütten, das emsige Treiben am Fischmarkt. Erschöpfte Frauen, die ihre Hände an den Schürzen abwischen. Und Jahrzehnte später die glänzenden Fassaden der Hochhäuser, brachliegender Baugrund und sterile Krankenhausgänge. Trotz aller Veränderung wirkt die Geschichte nach: Solomon mag erfolgreich sein, aber als Nachkomme von Koreanern bleibt er ein Außenseiter.

„Pachinko“ ist zu sehen auf Apple TV+

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