Posttraumatische Belastungsstörung

Trauma ist nicht gleich Trauma

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Erfahrungen, die unsere Unversehrtheit bedrohen, können ein Trauma auslösen – müssen aber nicht. Ein Einblick in Risikofaktoren, Epigenetik und Behandlung.

Krieg, Naturkatastrophen, sexuelle Gewalterfahrungen oder Vernachlässigung in der Kindheit, aber auch Unfälle, manche medizinische Untersuchungen, Verlusterlebnisse, kontinuierliche Herabwürdigungen – sie alle sind potenzielle Auslöser für ein Trauma. Potenziell deshalb, weil sich Traumata und ihre Folgen nicht bei allen Menschen im gleichen Ausmaß und auf gleiche Weise manifestieren. „Wenn zwei Menschen dasselbe erleben, kann es sein, dass einer eine Traumatisierung entwickelt und der andere nicht“, erklärt die Traumatherapeutin Regina Lackner. Grund dafür dürften bestimmte psychische, soziale sowie biologische Risikofaktoren sein: „Ist ein Mensch schon durch bestehende Probleme belastet, wie etwa soziale Isolation oder Arbeitslosigkeit, ist für ihn das Risiko, traumatisiert zu werden, höher.“ Gleichzeitig gebe es aber auch Schutzfaktoren: Wer direkt nach einem potenziell traumatischen Erlebnis soziale Unterstützung etwa durch ein Kriseninterventionsteam bekomme, habe ein geringeres Risiko, unter den langfristigen Folgen der Erfahrung zu leiden.

Und diese Folgen können schwerwiegend sein: Bei einer Posttraumatischen Belastungsstörung (Post Traumatic Stress Disorder, PTSD) treten häufig Symptome wie starke innere Unruhe, Schreckhaftigkeit oder Schlafstörungen auf. Zudem würden Betroffene oft Situationen, Tätigkeiten oder Menschen meiden, die sie an das Erlebte erinnern, sagt Lackner. Gleichzeitig würden viele traumatisierte Menschen von Alpträumen, Flashbacks oder sich aufdrängenden Gedanken an das Geschehene geplagt. Zahlreiche Betroffene würden durch das Erlebte auch andere psychische Störungen entwickeln, erklärt Lackner: „Nicht jeder, der traumatisiert ist, entwickelt eine Posttraumatische Belastungsstörung. Viele leiden an Depressionen, Angststörungen oder Somatisierungsstörungen.“ Traumatisierungen, die über einen längeren Zeitraum erfolgen würden, wie etwa Vernachlässigung in der Kindheit, könnten auch zu einer Bor­derline-Persönlichkeits-Störung führen.

Partydrogen und Psychotherapie.
In der Behandlung von Posttraumatischen Belastungsstörungen würden sich gerade spannende Erkenntnisse auftun, erklärt Stefan Röpke, Oberarzt und Leiter des Bereichs für Traumafolgestörungen an der Charité Universitätsmedizin Berlin: „Erste Daten wecken Hoffnung auf beeindruckende Therapieergebnisse von Psychotherapie unter MDMA-Einfluss.“ Die Substanz, als Partydroge als „Ecstasy“ bekannt, werde dabei in einer Dosis von zwischen 80 und 160 mg vor und während der Therapiesitzung verabreicht, sagt Röpke: „Das erzeugt schon einen klaren psychotropen Effekt, der dabei helfen kann, Traumata in der Therapie besser aufzuarbeiten.“

Aber auch in der psychotherapeutischen Behandlung gebe es gut erprobte Methoden, erklärt Lackner. Besonders wichtig sei hierbei die Beziehung zwischen Therapeut und Klient: „Da Traumatisierungen immer mit dem Verlust von Sicherheit und Kontrolle verbunden sind, ist das Wesentliche jeder Traumabehandlung, unsere Klienten dabei zu unterstützen, wieder Kontrolle über sich und ihr Leben zu erlangen. Deshalb ist es so wichtig, sie in ihrer Selbstbestimmung zu bekräftigen und ihnen mit diversen Übungen eine Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten.“ Dadurch würde man den Betroffenen Sicherheit zurückgeben, das wirke stabilisierend und könne bei manchen die Beschwerden bereits ausreichend mildern.

Ist hingegen eine tiefergehende Behandlung notwendig, unterstützt Lackner ihre Klienten dabei, das Erlebte zu verarbeiten. Dabei kommen in der Therapie bestimmte, wissenschaftlich erprobte Methoden wie „EMDR“, „Brainspotting“ oder „Somatic Experiencing“ zum Einsatz. Beim „Eye movement desensitization and reprocessing“ würden Augenbewegungen, taktile oder akustische Signale eingesetzt, erklärt Lackner: „Diese Stimulierung aktiviert bestimmte Hirnregionen und damit all das, was mit der traumatischen Erfahrung verbunden ist und löst einen Prozess aus, der ermöglicht, das Geschehene zu verarbeiten.“ In der Methode des Brainspottings arbeitet Lackner mit Augenpositionen. Somatic Experiencing ist ebenfalls ein körperorientierter Ansatz.

»Teletherapie hat viel Potenzial. Speziell bei gerade geflüchteten
Personen.«

Fortschritt und Technik.
In der Wissenschaft untersuche man zudem gerade, inwiefern auch technische Hilfsmittel in der Konfrontationsphase der Therapie unterstützend wirken können, ergänzt Röpke: „Grundsätzlich nutzt man in der Therapie ja oft imaginative Verfahren, bei denen sich die Patienten die Situation noch einmal vorstellen. Mithilfe von Virtual Reality kann man jemanden nun bildlich wieder in eine Situation hineinbringen.“ Gerade im Bereich der militärischen Traumatisierung hätten erste Untersuchungen dieser Behandlungsergänzung bereits Erfolge erzielt.

Zudem verspricht sich Röpke von der Teletherapie viel Potenzial. Immerhin hätten gerade geflüchtete Personen häufig Schwierigkeiten, psychotherapeutische Unterstützung zu bekommen, da es in Flüchtlingscamps lokal gesehen häufig zu wenige Ressourcen dafür gibt, erklärt der Psychiater: „Indem wir psychosoziale Fachkräfte aus anderen Regionen zuschalten, können wir die Wirksamkeit der Unterstützung verbreitern und Zugang für Menschen schaffen, die ohne diese technischen Hilfsmittel keinen Zugang dazu hätten.“

Die Unterstützung von durch Krieg traumatisierten Menschen sei umso bedeutsamer, da Forschungsergebnisse auch darauf hindeuten, dass Traumata von Generation zu Generation weitervererbt werden würden, berichtet Röpke: „Studien über Holocaustüberlebende deuten darauf hin, dass die Kinder von jenen Menschen, die unter den Belastungen eines schweren Traumas leiden, auch selbst ein erhöhtes Risiko haben, psychisch zu erkranken.“ Das habe mit den epigenetischen Veränderungen des Erbguts zu tun, die durch ein Trauma entstehen. Bestimmte Gene könnten nämlich durch traumatisierende Erfahrungen aktiviert oder gehemmt werden, sagt Röpke: „Damit werden bestimmte Abschnitte des Genoms häufiger oder seltener abgelesen und das kann sich auf weitere Generationen übertragen.“

Insgesamt erarbeite die Wissenschaft gerade, was mit unseren Genen im Fall einer traumabedingten Störung passiert. Man will genau verstehen, wieso manche Menschen krank werden und andere nicht. Ein tiefes Verständnis darüber würde auch in der Prävention und der Behandlung helfen, meint Röpke: „Wenn wir Vorhersagen darüber treffen können, wer ein besonders hohes Risiko hat zu erkranken, können wir langfristig gesehen früher reagieren und gezielter helfen.“

Dieser Artikel stammt aus dem Gesundheitsmagazin April 2022. Hier können Sie das gesamte Magazin lesen.

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