Umnutzungsprojekte

„Gewerbe bleibt vielfach Gewerbe“

Investoren versprechen sich gute Erlöse, das Stadtbild wird ökologisch verträglich aufgemöbelt. In Wien sind einige spannende Projekte in der Pipeline.

Aus einem in die Jahre gekommenen Büroturm wird ein schickes Hotel, ein ehemaliges Verwaltungsgebäude präsentiert sich als stylisher Wohnpark: Investoren setzen zunehmend darauf, sanierungsbedürftigen Bestand komplett umzumodeln und mit neuen Nutzungsformen auf den Markt zu bringen, statt abzureißen und von Grund auf neu zu errichten. „Bisher gab es eher vereinzelte Projekte, Umnutzungen werden aber immer mehr zum Thema“, bestätigt Daniel Jelitzka, Geschäftsführer von JP Immobilien. Sein Unternehmen hat ein besonderes Beispiel am Start: jenes Fünfzigerjahre-Gebäude von Architekt Carl Appel im dritten Wiener Gemeindebezirk, in dem bis vor vier Jahren die Sektion Gewerbe der Wirtschaftskammer untergebracht war, soll nächsten Sommer als Hotel der Marke The Hoxton mit rund 200 Zimmern, einer Rooftop-Bar, einem Spa-Bereich und vielem mehr Wiederauferstehung feiern. Warum sich Entwickler verstärkt für Umnutzungen entscheiden, erklärt Jedlitzka so: „Man hat keine Probleme mit der Baubewilligung, weil das Gebäude ja bereits steht. Ehemalige Gewerbeimmobilien verfügen zudem meist über Raumhöhen, die für jede Folgenutzung attraktiv sind, und nicht zuletzt ergibt sich eine gute Ökobilanz.“

Beim Thema Nachhaltigkeit hakt Sebastian Nitsch, CEO des Investors 6B47, ein. Er verweist auf das Althan-Quartier im neunten Bezirk, wo unter dem Projektnamen „Francis“ im Komplex über dem Franz-Josefs-Bahnhof großzügige Gewerbe- und Büroflächen als Teil eines neuen urbanen Zentrums entstehen. „Dadurch, dass wir das Stahlbetonskelett aus den 1970ern verwenden, also quasi den Rohbau ein zweites Mal nutzen, sparen wir im Vergleich zu einem Neubau 67 Prozent CO2-Äquivalent, dazu so viel Beton, wie man für 660 Einfamilienhäuser braucht, und rund 10.000 Fahrten mit Schwertransportern.“ Kosten und Bauzeit seien jedoch nicht geringer als bei einem Neubau. „Das nahezu chirurgische Entfernen der alten Substanz, unter Bedachtnahme auf die Statik, ist langwierig und teuer“, erklärt Nitsch. Und Jedlitzka ergänzt: „Bei so viel Kleinteiligkeit kann man nicht mit großem Gerät arbeiten, da muss viel mit Manneskraft erledigt werden.“ So habe allein das Abbauen beim „Francis“ rund acht Monate in Anspruch genommen.

Lukrativ für Entwickler

„Gewerbeobjekte bleiben auch bei einer Umnutzung meist Gewerbeobjekte“, beobachtet Jedlitzka. Diese seien für die Entwickler lukrativ, da man bei der Neugestaltung auf Trends Bedacht nehmen und die Immobilie meist rasch an den Mann bringen kann. Nitsch: „Büros sehen heute anders aus als vor 30 Jahren. Im ,Francis' stehen bis zu 7000 Quadratmeter pro Etage zur Verfügung. Es ist ein Vorteil, wenn ein Unternehmen alles auf einer Etage unterbringen kann und nicht für Stiegenhäuser zahlen muss, sondern stattdessen über Kreativecken verfügt.“ Zusätzlich, fügt Jedlicka hinzu, „konvertiert man gern ehemalige Wohnungen in Gewerbeflächen, zumal die Ansiedelung von Unternehmen in Wohngebieten dem Prinzip der urbanen Durchmischung entspricht, wie es von der Stadt Wien im Rahmen des ,Fachkonzepts produktive Stadt‘ forciert wird, und entsprechende Widmungen daher selten ein Problem sind.“

Das Umwandeln von Gewerbeflächen in Wohnungen hingegen rechne sich aufgrund möglicher behördlichen Auflagen nur für spezielle Bauträger, weiß Christoph Lukaschek, Head of Investment bei Otto Immobilien. „Diese Option kann interessant sein, wenn bei einem Büroobjekt Großmieter wegfallen und man in die Kleinvermietung gehen müsste, zumal bei Wohnungen eine bessere Rendite und ein höherer Exitfaktor zu erwarten sind.“ Im vierten Wiener Bezirk wird derzeit eine solche Konversion vorgenommen: Rhomberg Immobilien baut unter dem Projekttitel „On Air“ bis zum kommenden Frühjahr 21 Wohneinheiten ins ORF-Funkhaus in der Argentinierstraße ein.

Aufgestauter Revitalisierungsbedarf

Beispiele

Die Experten gehen davon aus, dass der zunehmende Bedarf an Objekten, die sich für eine Umnutzung anbieten, gedeckt sein wird. „Es gibt viele Immobilien mit aufgestautem Revitalisierungsbedarf und noch dazu in guter Lage, die nicht adäquat vermietbar sind und für die man in der derzeitigen Marktsituation bei einer Veräußerung sehr gute Preise bekommt“, sagt Jedlitzka. Hinzu komme, argumentiert Nitsch, dass angesichts der kommenden Nachhaltigkeitsberichtspflicht etliche Besitzer alte Immobilien, die aufgrund schlechter ökologischer Werte Minuspunkte einbringen würden und deren Sanierung unrentabel ist, auf den Markt werfen werden. Für Potenzial ist also gesorgt.

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