Berehowe/Beregszáz
Expedition Europa

Bei den Ungarn in der Ukraine

Fahrt in ein Land im Kriegszustand, ich war angespannt. Erste Überraschung: Mit Straßenkontrolle und Militärpräsenz wurde ich nur auf der ungarischen Seite konfrontiert. Die Ukraine selbst ließ mich geschwind rein, das Impfzertifikat interessierte keinen mehr.

Am Sonntag, als Viktor Orbán mit der Linie, Ungarn strikt aus dem Ukraine-Krieg herauszuhalten, einen sogar ihn selbst überraschenden Wahlsieg erzielte, fuhr ich ins Hauptstädtchen der ukrainischen Ungarn. Weitgehend unbemerkt, waren die selbstbewussten Vertreter der ungarischen Minderheit über die Jahre Brandanschlägen und Gewaltandrohungen ausgesetzt gewesen. Als ich vergangenen Winter die angeblich „führende ungarische Separatistin“ von Berehowe/Beregszáz besuchte, machte sie den ukrainischen Geheimdienst SBU und die Selenskij-Regierung verantwortlich. Was sagt Karolina Darcsi jetzt?

Fahrt in ein Land im Kriegszustand, ich war angespannt. Erste Überraschung: Mit Straßenkontrolle und Militärpräsenz wurde ich nur auf der ungarischen Seite konfrontiert. Die Ukraine ließ mich geschwind rein, Impfzertifikat und Covid-Spezialpolizze interessierte keinen mehr, Ausgangssperre galt in Transkarpatien keine, in Berehowe fehlten auch die gefürchteten Straßensperren. Dass Krieg ist, sah man erst auf den zweiten Blick: Eine Wechselstube verkündete, der „russische Rubel möge den Weg des russischen Kriegsschiffes nehmen“.

Als ich im Hotel nach dem Luftschutzbunker fragte, kriegte die Rezeptionistin einen Lachkrampf. Bevor eine Partnerstadt im rumänischen Szeklerland spendete, hatte Berehowe nicht mal eine Sirene gehabt. In Transkarpatien befinden sich keine militärisch relevanten Ziele, es gab keinen einzigen Luftangriff. „Transkarpatien ist ganz anders“, sagte die fünfsprachig-ungarische Rezeptionistin, „multiethnisch, ruhig“. Sie behauptete, viele Exilungarn seien extra aus Deutschland angereist, um im Berehower Konsulat Orbán zu wählen. Wirklich schlecht sei etwas anderes, flüsterte sie: Transkarpatier und die zahllosen ostukrainischen Vertriebenen „passen nicht zusammen“. In Mukatschewo wurden schon Raufhändel verzeichnet.


Ich aß im „Solota Pawa“ zu Abend. Die meisten Gäste sprachen Russisch. Im Unterschied zu den Frauen und Kindern, die ins Ausland geflohen sind, sind unter den sechs bis sieben Millionen Binnenvertriebenen nicht wenige Männer. Das sind die, die nicht kämpfen konnten oder wollten. Diese Männer saßen mit schwarzen Trainingsanzügen im discofarbigen Jugendstil-Prunksaal. Sie konsumierten wenig, stierten in ihre Telefone, schlugen schweigend die Zeit tot.

Zweite Überraschung: Darcsi, die zackige Politologieprofessorin und „separatistische“ Lokalpolitikerin, war keineswegs nach Ungarn geflohen. Ich traf sie am Montag im ungeheizten Café „Parisel“. Die Inhaberin eines ungarischen Passes behauptete, dass am Vortag kaum jemand im ungarischen Konsulat gewählt habe, „fast nur Alte“. Sie mühte sich ab, Orbáns strikte Ablehnung von Militärhilfe für die Ukraine zu verteidigen: Als „Pazifistin“ hoffe sie auf Verhandlungen, „Selenskij will Soldaten und Waffen, Ungarn hat aber weder das eine noch das andere“, und es sei nur logisch, dass Waffen aus Spanien über Polen in die Ukraine geliefert würden. „Wozu den Umweg über Ungarn machen? Wir würden selbst zum Ziel.“

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