Friedrich Achleitner und Gerhard Rühm zertrümmern ein Klavier auf der Bühne. Wien 1959.
Spectrum

Über den Mythos der österreichischen Kulturnation

Von der Wiener Moderne bis zur Wiener Gruppe: Die Zukunft österreichischer Kultur liegt nicht in der Wiederkehr der guten alten Zeit, sondern in Bewahrung der kritischen Tradition und einer ständigen Weiterentwicklung.

Anlässlich einer Wiederlektüre von Italo Svevos Roman „Ein Mann wird älter“ fällt mir auf, dass Svevo dieses psychologische Meisterstück bereits 1898, also vor Sigmund Freuds grundlegenden Schriften zur Psychoanalyse, veröffentlicht hat – ohne es zu überprüfen, habe ich immer angenommen, Svevos Werk sei ein Folgeprodukt von durch Freud vermittelter Einsichten. Natürlich, es hat auch vor Freud große Psychologen gegeben: Was das 19. Jahrhundert angeht, denkt man etwa an Stendhal oder Flaubert, insbesondere aber an Nietzsche und natürlich an den von Freud dann so unbedingt abgelehnten Dostojewski. Die Zuflüsse zu Svevos Werk werden also wohl in dieser und also internationaler Richtung zu suchen sein, er selbst verweist ja auf Schopenhauer.

Zum Zweiten fällt mir auf, dass ein Gutteil der bedeutenden Literatur aus der seinerzeit österreichischen Hafenstadt Triest von Juden geschaffen wurde, ich meine damit Umberto Saba, Svevo selbst und etwa auch Giorgio Voghera, der unter dem Pseudonym Anonimo Triestino den psychologischen Roman „Das Geheimnis“ verfasst hat. Es sind allesamt aufgeklärte Juden, wie Freud ihrer Religion und Herkunft mehr oder weniger entfremdet, liberal und weltoffen. Von dieser Einsicht ist es nicht weit zur nächsten, dass nämlich auch in der sogenannten Wiener Moderne die Rolle der Juden beträchtlich ist – und zwar nicht nur als Konsumenten, wie es Zweig in seinen Erinnerungen „Die Welt von Gestern“ so trefflich beschreibt, sondern auch als Produzenten: Arthur Schnitzler, Joseph Roth, Karl Kraus, Franz Kafka, Gustav Mahler, Arnold Schönberg, Ludwig Wittgenstein, um nur einige zu nennen.

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