Wort der Woche

CO2-Emissionen

Der jüngste Bericht des UN-Weltklimarats IPCC zeigt, dass riesige Einsparungen an CO2-Emissionen auch ohne Mehrkosten möglich wären.

Immerhin: Laut dem neuen Bericht des UN-Weltklimarats IPCC hat sich der Zuwachs der Treibhausgasemissionen etwas eingebremst. Während der CO2-Ausstoß im ersten Jahrzehnt dieses Millenniums im Schnitt um jährlich 2,1 Prozent gestiegen ist, waren es in den 2010er-Jahren „nur“ 1,3 Prozent. Das ändert freilich nichts an der grundsätzlichen Tatsache, dass immer mehr Treibhausgase in die Luft geblasen werden – derzeit jährlich 59 Gigatonnen (Mrd. Tonnen) CO2-Äquivalente (GtCO2-eq). Der Gehalt der Atmosphäre an CO2, Methan, Lachgas & Co. erreicht Jahr für Jahr neue Rekordstände. Und damit auch die globale Durchschnittstemperatur, die bereits um 1,1 Grad über dem Wert aus vorindustriellen Zeiten liegt.

Die IPCC-Experten betonen, dass die Emissionen ab 2025 sinken müssen – andernfalls können wir unsere hehren Klimaziele (1,5 Grad Erwärmung) vergessen. Je länger man in dem 2913 Seiten starken Bericht (Download: www.ipcc.ch) blättert, umso rätselhafter wird, warum wir nur so zaghaft gegensteuern. Gänzlich unverständlich wird die politische und ökonomische Realität, wenn man im Kapitel 12.2 angelangt ist: Dort ist nachzulesen, dass man die Emissionen bis 2030 mit bereits heute vorhandenen Technologien glatt halbieren könnte. Die Hälfte dieses Potenzials könnte noch dazu mit sehr niedrigen Kosten (unter 20 Dollar je Tonne) gehoben werden. Und: Fast zehn GtCO2-eq pro Jahr könnten sogar ohne zusätzliche Kosten eingespart werden – weil viele neue Technologien unterm Strich billiger sind als herkömmliche. Dazu zählen u. a. Solar- und Windenergie, Elektromobilität, Effizienzsteigerungen (Verkehr, Beleuchtung etc.) oder sachgerechte Abfallbehandlung.

Die Autoren des Berichts schildern auch noch einen zweiten Weg zur kostenlosen CO2-Reduktion: Durch Veränderungen unserer Gewohnheiten (z. B. Ernährungsumstellung, Vermeiden von Abfällen, mehr Radfahren, „grünen“ Lifestyle) könnten rund elf GtCO2-eq pro Jahr eingespart werden.

Wenn man sich nun – zu Recht – fragt, warum all das nicht schon längst geschehen ist, so gibt es zwei Antworten: Zum einen befinden wir uns schon am Anfang dieses Wandels – es geht aber nicht von heute auf morgen. Zum anderen gibt es unzählige Barrieren, die eine Transformation verhindern oder zumindest verzögern – von ungeeigneten Rahmenbedingungen, Systemträgheiten und Machtspielchen bis hin zu Eigennutz, Bequemlichkeit und Ignoranz. Der IPCC-Bericht zeigt jedenfalls, was ohne allzu großen Aufwand möglich wäre. ⫻

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2022)

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