Serie: Wiener Originale

Heinz Conrads: Den Wuaschtl kaun kana darschlogn

„Herzspezialist“, Seelentröster, Liebling der Madln und Buam: Mit dem Charme eines Vorstadt-Gigolos lässt Heinz Conrads Tristesse des Alltags vergessen. Alles ist wie von Zuckerguss überzogen.

Bundeskanzler Julius Raab ist sich sicher, das Fernsehen, ein Baberlzeug, wird sich in Österreich nie durchsetzen. Weil „wir viel zu hohe Berge haben, da kommen die Fernsehstrahlen net drüber.“

Doch bald begeistern adrette Ansagerinnen wie Franziska Kalmar und Hermi Niedt, die deutschen Showmaster der ersten Stunde Frankenfeld und Kulenkampff, mit dem unvermeidlichen Fernsehballett und charmanten Assistentinnen. Die Herren am Herd, Misak & Co., zaubern Speisen, die Hausfrauen dann versuchen nachzukochen: Powidltatschkerln, Szegedinergulyás und Schlosserbuben. Der Wetterfrosch Prof. Kletter dokumentiert Adriatiefs und Azorenhochs mit seinen modernen magnetischen Pfeilen, die er schwungvoll über die Studiolandkarte zieht. Und Lou van Burg lässt im Klamauk-Klassiker Jede Sekunde ein Schilling Torten in verdutzten Gesichtern landen.

Unterhaltung auf den Mattscheiben der Röhrenfernseher, wie dem eleganten Hornyphon-Modell Belvedere. Mit der Libellenantenne und der goldenen Venezia-Gondel mit bunten Lamperln oben drauf. Die Hausfrau serviert Schinkenrollen, Hawaii-Toast, und Käsewürferln auf bunten Spießen, Ribiselwein für die Großen, Frucade für die Kleinen.

Und ab 1957 wird jeden Samstagnachmittag eine Radiolegende nach der „singenden, klingenden Wochenplauderei“ auch im Fernsehen zu einer Art Familienmitglied: Heinz Conrads, ein Nationalheld der Wirtschaftswunderzeit, der launige Seelentröster mit seinem legendären Augenzwinkern. Fesch im Smoking oder dunklen Dreiteiler mit Bürstenhaarschnitt voller Pomade, Herzerl und Goscherl immer am rechten Fleck. Charmant und jovial, kitschig und sentimental, auch ein bisserl verlogen und zynisch. Lässig am Flügel lehnend ein Lied wie „A Schneeflockerl und a Ruaßflankerl“ oder „Den Wuaschtl kaun kana darschlogn“ singend oder in seinem Fauteuil plaudernd, bietet er Samstag für Samstag ein Herz-Schmerz-Theater. Mit der Aura eines Vorstadt-Gigolos lässt er Tristesse und Trostlosigkeit des Alltags vergessen.

Conrads' Credo ist: „Nur keine Politik – damit verärgert ma die Leut' nur“. Die heile Welt wird vorgegaukelt, alles ist wie von Zuckerguss überzogen. Er bezirzt mit dem Charme eines Hutschenschleuderers die Alten und Einsamen, die Menschen im Krankenbett. Und fragt mit besorgt-heuchlerischer Miene: „Wer mas noch schaffen bis Weihnachten?“

Als ihn der Generalintendant 1967 vom Bildschirm verbannen will, gibt es empörte Briefe an den ORF – der „Herzspezialist muss bleiben!“. Er bleibt, Gerd Bacher erleidet eine seiner schmerzlichsten Niederlagen.

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