Klima: Wandel

Angriff auf den allmächtigen US-Dollar

Der Dollar hat in der Wirtschaft eine Sonderstellung, die auch die Kunst fasziniert. Etwa Andy Warhol, der 1981 sein Kunstwerk „Dollar Zeichen“ geschaffen hat, das hier in London ausgestellt wird.
Der Dollar hat in der Wirtschaft eine Sonderstellung, die auch die Kunst fasziniert. Etwa Andy Warhol, der 1981 sein Kunstwerk „Dollar Zeichen“ geschaffen hat, das hier in London ausgestellt wird.(c) Getty Images (Mary Turner)
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Im Ukraine-Krieg machte Amerika den Dollar zur Waffe – und schreckte damit nicht nur Russland auf. Weitgehend unbemerkt nutzen Moskau und Peking den Konflikt nun, um die Vorherrschaft der amerikanischen Währung über die Weltwirtschaft zu beenden.

Warum macht er das? Als der russische Machthaber Wladimir Putin vor zweieinhalb Wochen bekannt gab, „unfreundlichen Staaten“ Erdgas nur noch gegen Rubel liefern zu wollen, stellte er die Welt vor ein Rätsel. Was will der Kreml-Chef damit erreichen? Die einzig ernst zu nehmende Drohung, Europa andernfalls den Gashahn abzudrehen, entpuppte sich schließlich in nur wenigen Tagen als haltlos. Am Ende ändert sich auf den ersten Blick wenig: Europas Konzerne bezahlen ihr Gas weiter in Euro und die russische Gazprombank wechselt die Devisen eben in Rubel. Nichts passiert also? Oder übersehen wir hier etwas? Gut möglich. Mit etwas Distanz betrachtet, hat der Schachzug Wladimir Putins nämlich durchaus Sinn: Als Teil eines lang geplanten Angriffs auf die Herrschaft des Dollar über die Weltwirtschaft.

Der Dollar wurde zur Waffe. Dass Amerika nach Ende des Zweiten Weltkriegs zur globalen Supermacht aufgestiegen war, verdankte es nicht nur seiner militärischen oder technologischen Überlegenheit, sondern auch der Beliebtheit seiner Währung. Als die westlichen Kriegsgewinner im Sommer 1944 im Bretton-Woods-Abkommen beschlossen, den Wert des Dollar an den Goldpreis zu binden, schufen sie damit die Grundlage für das „exorbitante Privileg“, von dem die USA noch 78 Jahre später profitieren. Selbst die Aufhebung der Goldpreis-Bindung durch Richard Nixon im Jahr 1971 konnte nichts mehr daran ändern: Der Greenback blieb auch ohne goldenen Anker die Leitwährung der Welt. Fast 60 Prozent der 12,8 Billionen Dollar an Fremdwährungsreserven, die die Staaten heute bunkern, lauten auf den stabilen und liquiden US-Dollar.

Die Länder brauchen Fremdwährungsreserven wie diese, um externe Schocks abzufedern, internationale Schulden zu begleichen oder im Fall hoher Inflation die eigene Währung stützen zu können. Auch wichtige Rohstoffe wie Öl werden in Dollar gehandelt. Der große Appetit der Welt auf die amerikanische Währung erlaubt es den Vereinigten Staaten wiederum, seit Jahrzehnten über die eigenen Verhältnisse zu leben und sich aus der Notenpresse zu finanzieren (siehe Artikel unten). Und die Macht des Dollars hilft den USA, wirkungsvolle Finanzsanktionen gegen politische Gegner zu verhängen, wo immer ihre Währung für Geschäfte verwendet wird.

Glaubt man John Maynard Keynes, dann hat es Wladimir Iljitsch Lenin, der Gründer der Sowjetunion, schon vor über einem Jahrhundert gewusst: „Es gibt keinen subtileren und erfolgversprechenderen Weg, um die Basis einer Gesellschaft zu zerstören, als dessen Währung zu korrumpieren“, zitiert der Ökonom den russischen Revolutionär. Nach Putins Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 zögerte der US-Präsident Joe Biden nicht lang, um Lenins Ratschlag mit der Kraft des Dollar umzusetzen. Er schnitt das Kreml-Regime von der westlich dominierten Finanzwelt ab, warf die meisten russischen Banken aus dem Zahlungssystem Swift und fror Fremdwährungsreserven der russischen Zentralbank im Wert von 630 Milliarden Dollar ein. Schlagartig verlor Moskau die Möglichkeit, die eigene Währung zu stützen. Und der Rubel kollabierte.

Kann sein, dass Washington damit über die Stränge geschlagen hat, meinen manche Beobachter. Die drastischen Sanktionen des Westens könnten das Entstehen neuer Währungsbündnisse fördern, sagt etwa Gita Gopinath, Ex-Chefökonomin des IWF. „Wir sehen bereits, dass einige Länder beginnen, neu zu verhandeln, in welcher Währung sie für ihre Waren bezahlt werden wollen.“

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