Am Herd

Er wollte dafür entlohnt werden, dass er ein Arsch ist

Solche Menschen gibt es. Es gibt nicht viele, aber die wenigen machen viel kaputt. Sie können ein ganzes Gemeinwesen ruinieren. Und oft kann man nichts gegen sie ausrichten.

Diese Geschichte hat mir eine Freundin erzählt. Ich habe lang darüber nachgedacht, obwohl der Anlass vergleichsweise gering ist, ein First-World-Problem, sozusagen. Aber tatsächlich steckt meine Freundin in einem Dilemma, das uns alle beutelt, mehr oder weniger. Es gibt da keinen eleganten Ausweg, kein einfaches Richtig oder Falsch und man könnte darob irre werden oder rabiat oder resignieren, je nach Temperament.

Aber zur Geschichte. Meine Freundin besitzt eine kleine Wohnung in einem Haus mit zwölf Parteien. Elf davon, darunter meine Freundin, wollten einen Balkon anbauen. Einen Balkon, auf dem man Minze und Geranien züchten kann, mit zwei Sesselchen und einem Tischchen, auf das zumindest zwei Gläser passen. Ach, ich kann das so gut verstehen, wie gern hätte ich, vor allem im ersten Lockdown, einen solchen Ort im Freien gehabt, mit ein bisschen Grün und dem Himmel über mir und kein Polizist kann mich vertreiben.

Doch der Plan ist gescheitert, an einer einzelnen Person. Ein Mann, der nur zwischenzeitlich in dem Wiener Haus wohnt, hat sich quergestellt. Er hat einfach Nein gesagt. Ohne Begründung. Vermutlich hat er damit gerechnet, dass die anderen ihm anbieten würden, die Kosten für seinen Balkon zu übernehmen, wenn er nur zustimmt. Er wollte sich also dafür entlohnen lassen, dass er ein Arsch ist.

Solche Menschen gibt es. Es gibt nicht viele, aber die wenigen machen viel kaputt. Sie können ein ganzes Gemeinwesen ruinieren, einfach so. Und oft kann man nichts gegen sie ausrichten.

Gerechtigkeitsempfinden. Die Hausgemeinschaft meiner Freundin hat beschlossen, nicht zu zahlen. Da ging es weniger ums Geld, geteilt durch elf wäre der Betrag für jeden einzelnen nicht zu hoch gewesen. Nein, sie wollten sich nicht erpressen lassen. Sie haben ihn nicht direkt bestraft, das ginge auch gar nicht, denn der Mann hat ein Haus am Land, der Balkon ist ihm also ziemlich egal. Aber sie haben ihm gezeigt, dass sie sein Verhalten nicht dulden. Sie haben eine Grenze gezogen.

Hätten sie auf ihr Gerechtigkeitsempfinden gepfiffen, könnten sie jetzt am Wochenende die Geranien gießen und würden die Vögel zwitschern hören. Kann man andere Menschen erziehen? Oder ist es irgendwann eh zu spät? War es das überhaupt wert? Andererseits: Prostet man sich zufrieden zu, wenn man weiß, die Gemeinheit hat gesiegt?

Dann begegnet man dem Kerl im Stiegenhaus und grüßt oder ignoriert ihn oder schaut ihn böse an, als ob das etwas bringt, manch einer schmiedet wohl Rachepläne, je nach Temperament eben, und man fragt sich, was man beim nächsten Mal tun soll. Gibt es überhaupt nächstes Mal?

Und es geht hier nur um Balkone.

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