In Wolodymyr Selenskijs schwer bewachtem Präsidentenpalast sicherte der Kanzler Unterstützung zu, ehe es in den Schreckensort Butscha ging, wo Leichen in Massengräbern verscharrt wurden. Eine Visite in Zeiten des Krieges.
Sandsäcke, überall stapeln sich Sandsäcke, auf den abgedunkelten Fluren, auf den Treppen, sogar in den Fenstern des ukrainischen Präsidentenpalasts. Mobiltelefone, iPads, die Journalisten müssen all ihre elektronischen Geräte abgeben. Sie werden über einen Hintereingang zur Pressekonferenz ins Gästehaus geschleust, vorbei an schwerbewaffneten Soldaten mit Splitterwesten. Nach einer halben Stunde erscheint Präsident Wolodymyr Selenskij in einem stuckverzierten mintgrünen Salon – in Turnschuhen und in einem kurzärmeligen Militärhemd. Neben ihm steht Bundeskanzler Karl Nehammer im blauen Pullover und in festen Schuhen. In der ersten Reihe sitzt der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba in einem Kapuzensweater. Eine Visite in Zeiten des Krieges.
Selenskij bedankt sich mehrmals bei seinem Gast: für den „sehr wichtigen“ Besuch, für die humanitäre Hilfe der vergangenen Wochen – und für die weiteren Diesellieferungen, für die 20 Rettungswägen und die zehn Tanklöschfahreuge, die ihm Nehammer soeben in einem Gespräch zugesagt hat. Selenskij weiß die Geste zu schätzen: Österreichs Bundeskanzler ist nach den Ministerpräsidenten Polens, Sloweniens, Tschechiens und der Slowakei erst der fünfte EU-Regierungschef, der seit Ausbruch des Krieges nach Kiew gekommen ist.
Selenskij will vor allem eines: Waffen, um sich gegen die russischen Invasoren zur Wehr zu setzen. Doch der ukrainische Präsident kennt die Beschränkungen der österreichischen Neutralität. „Wer keine Waffen schicken kann, kann uns auch anders helfen“, sagt er. Nehammer findet klare Worte. „Der Krieg, ausgelöst von der Russischen Föderation, ist völlig inakzeptabel. Österreich ist nicht neutral, wenn es darum geht, Verbrechen zu benennen.“ Die Republik trage alle Strafmaßnahmen der EU mit, erklärt er. Und Europa werde weitere Sanktionen verhängen. „Bis der Krieg vorbei ist.“