Das dogmatische Festhalten von Staats- und Parteichef Xi Jinping am chinesischen „Null Covid“-Kurs ist der größte innenpolitische Fehler seiner bisherigen Amtszeit. Doch mithilfe eines dystopischen Zensurapparats wird er auch diese Krise überstehen.
Peking/Shanghai. Es ist ein ungeheuerlicher, ja unglaublicher Satz: In Chinas wohlhabendster Stadt ist der Hunger zurückgekehrt. Der nicht enden wollende Lockdown in Shanghai zwingt etliche der 26 Millionen Bewohner in existenzielle Notlagen: Die besonders Verzweifelten plündern Supermärkte und schreien aus ihren Fenstern heraus nach ausbleibendem Nachschub. Mindestens ebenso ungeheuerlich ist auch die Reaktion der Zentralregierung in Peking, die die unmenschlichen Ausgangssperren schließlich angewiesen hat: Generalsekretär Xi Jinping hüllt sich in Schweigen. Er hat die Krise in Shanghai bislang mit keiner einzigen Silbe erwähnt.
Stattdessen schickt der 68-Jährige das Militär, um die „soziale Stabilität“ zu wahren. Doch Maschinengewehre und Panzer können nicht verschleiern, was Chinas Staatsführung ihrer Bevölkerung derzeit antut: Sie pfercht sämtliche Infizierte in riesige Quarantäne-Zentren ein, wo sie zu Tausenden vor sich hin vegetieren. Ihre zurückgelassenen Haustiere werden aus Angst vor dem Virus auf offener Straße niedergeknüppelt. Und selbst Kleinkinder werden im Fall einer Ansteckung von ihren Eltern getrennt.