Ukraine-Krieg

"Hartes und offenes Gespräch": Treffen von Karl Nehammer und Wladimir Putin zu Ende

Karl Nehammer nach dem Treffen mit Putin, auf einem von seinem Presseteam veröffentlichten Bild. Er habe Putin "in aller Deutlichkeit gesagt, dass die Sanktionen gegen Russland aufrecht bleiben und weiter verschärft werden, solange Menschen in der Ukraine sterben", so Nehammer.
Karl Nehammer nach dem Treffen mit Putin, auf einem von seinem Presseteam veröffentlichten Bild. Er habe Putin "in aller Deutlichkeit gesagt, dass die Sanktionen gegen Russland aufrecht bleiben und weiter verschärft werden, solange Menschen in der Ukraine sterben", so Nehammer. BUNDESKANZLERAMT/DRAGAN TATIC
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Österreichs Kanzler ist der erste EU-Regierungschef seit Kriegsbeginn, der den russischen Präsidenten getroffen hat. Die wichtigste Botschaft an ihn sei gewesen, so Nehammer im Anschluss, „dass dieser Krieg endlich enden muss“.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat am Montagnachmittag den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau zu einem Gespräch über den Ukraine-Krieg getroffen. Der Kanzler, der als erster EU-Regierungschef seit Kriegsausbruch nach Russland reist, habe Putin bei dem Gespräch auch auf die „Kriegsverbrechen“ in der Ukraine und auf die Notwendigkeit einer internationalen Untersuchung ebendieser angesprochen, hieß es danach in einer schriftlichen Stellungnahme. Auch habe er betont, dass die Sanktionen gegen Russland fortgesetzt und jedenfalls „weiter verschärft werden, solange Menschen in der Ukraine sterben“.

Es habe sich dabei um „keinen Freundschaftsbesuch“ gehandelt, betonte der Kanzler. Das Gespräch sei „sehr direkt, offen und hart“ gewesen. „Ich habe die schweren Kriegsversbrechen in Butscha und anderen Orten angesprochen und betont, dass all jene, die dafür verantwortlich sind, zur Rechenschaft zu ziehen sind.“ Er habe Putin außerdem „in aller Deutlichkeit“ über die Fortführung der Sanktionen informiert - und ihm auch klargemacht, dass es dringend humanitäre Korridore brauche. „Ich werde nun wieder unsere europäischen Partner über mein Gespräch mit dem russischen Präsidenten informieren und über weitere Schritte beraten“, so Nehammer.

Eine Reise ins Kriegsgebiet

Erst am Wochenende war Nehammer mit Journalisten nach Kiew gereist, um unter anderem dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij seine Solidarität zu versichern. Nach seiner Rückkehr kündigte er am Sonntagnachmittag vor Journalisten an, auch Aggressor Putin zu treffen.

Nehammer versicherte, er werde Putin gegenüber „nicht moralisch neutral“ sein. „Reden heißt nicht, seine Position aufzugeben“, befand Nehammer. „Es ist für mich das Gebot der Stunde, alles zu versuchen.“ Die Reise nach Moskau sei „eine Risikomission“, räumte er ein, aber es habe sich die Möglichkeit einer "Gesprächsbrücke" ergeben. Er sei „kein Idiot“: „Aber ich gehe davon aus, dass es richtig ist, alles zu versuchen. Nun sei „persönliche Diplomatie“ gefragt, es gehe um Dialogmöglichkeiten zwischen Selenskij und Putin, einen Waffenstillstand oder humanitäre Korridore, meinte Nehammer.

Österreich hatte zuletzt vier russische Diplomaten ausgewiesen, und auch Nehammers Besuch in Kiew wird vom Kreml wohl registriert worden sein. Die Initiative zur Moskau-Reise sei von ihm ausgegangen, sagte Nehammer, und zwar schon während die Reise in die Ukraine geplant wurde.

Kreml: „Gespräch hinter verschlossenen Türen“ 

Wie Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag laut der Agentur Interfax sagte, werden sich Nehammer und Putin bei ihrem Treffen auf den Krieg in der Ukraine konzentrieren. Es könnten aber auch Fragen der Gaslieferungen besprochen werden. Es handle sich um ein Gespräch hinter verschlossenen Türen. Es seien weder Bilder vom Auftakt des Treffens noch Informationen für die Medien von russischer Seite im Anschluss geplant. Greifbare Ergebnisse werden nicht erwartet. Putin wolle allerdings am Dienstag Fragen von Journalisten beantworten, schrieb die Deutsche Presse-Agentur.

„Das Hauptthema ist die Lage der Dinge um die Ukraine. Auf der anderen Seite lässt sich eine Erörterung der Gasangelegenheiten auch nicht ausschließen, weil das Thema für die österreichische Seite ziemlich aktuell ist“, sagte Peskow der dpa zufolge. Neue Sanktionen der EU kritisierte Peskow demnach als nicht hinnehmbar und illegal.

Wer war im Vorfeld informiert?

Seit Kriegsausbruch war kein Regierungschef aus der EU bei Putin in Moskau, es gab nur telefonischen Kontakt etwa mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron und dem deutschen Kanzler Olaf Scholz. Lediglich der israelische Ministerpräsident Naftali Bennett war Anfang März als Vermittler zu einem Treffen mit Putin nach Moskau gereist. Die Reise nach Moskau habe er mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel abgesprochen, sagte Nehammer. Auch Selenskij, den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und den deutschen Kanzler Scholz habe er informiert.

Dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen über die geplante Reise telefonisch informiert worden sei, bestätigte der EU-Kommissionsvertreter in Österreich, Martin Selmayr, am Montag vor Journalisten in Wien. „Wir sind sicher, dass der österreichische Bundeskanzler die Vor- und Nachteile dieser Reise gut abgewogen hat“, sagte Selmayr.

Eine Kommissionssprecherin in Brüssel sagte auf eine entsprechende Nachfrage: „Grundsätzlich ist für uns jeder Versuch, der Ukraine Frieden zu bringen, nützlich“. Und weiter: „Aber ich habe keinen weiteren Kommentar zu möglichen Auswirkungen einer solchen Reise.“ Ob es eine Koordination mit anderen EU-Staaten gegeben habe, könne sie nicht sagen. Seitens der EU-Kommission seien mit der Ukraine keine „spezifischen Details von Reisen oder Kontaktaufnahmen“ nach oder mit Moskau diskutiert worden.

Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz jedenfalls begrüßte die Initiative des österreichischen Bundeskanzlers, wie seine Regierungssprecherin am Montag am Rande einer Pressekonferenz in Berlin wissen ließ. Jegliche diplomatische Bemühungen, die zu einem Ende der Kampfhandlungen führen, seien zu begrüßen. Scholz wurde „im Vorfeld informiert“. Wann genau und in welcher Form, gab sie auf Nachfrage der „Presse“ nicht bekannt.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) verteidigte die Initiative Nehammers ebenfalls. „Jede Stimme, die Putin verdeutlicht, wie die Realität außerhalb der Mauern des Kremls wirklich aussieht, ist keine verlorene Stimme“, so der Minister am Montag vor einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen in Luxemburg.

Skepsis und Kritik im Vorfeld

An Nehammers Initiative gab es aber auch Kritik - im In- und Ausland. „Ich glaube nicht, dass Putin ansprechbar ist“, sagte der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis am Montag beim EU-Außenministerrat in Luxemburg laut der Nachrichtenagentur Reuters. Er forderte westliche Politiker auf, lieber in die Ukraine zu reisen. Es sei gut, dass die EU-Kommission ein sechstes Sanktionspaket vorbereite.

Laut dem finnischen Außenminister Pekka Haavisto sind die Erwartungen an das Treffen Nehammers mit Putin nicht sehr hoch. „Die Reise bezieht sich vor allem auf die Friedensbemühungen und auf die humanitäre Situation. Natürlich ist es wichtig, dass die Kontakte aufrecht bleiben, aber sehr hohe Erwartungen scheint Österreich nicht zu haben“, zitierte die finnische Nachrichtenagentur STT Haavisto, der am Rande des EU-Außenministertreffens in Luxemburg sprach.

Die Opposition in Österreich zeigte sich skeptisch über einen Erfolg Nehammers. Die Grünen gaben sich bezüglich der Reise zurückhaltend bis kritisch.

Die Europäische Kommission erwarte jedenfalls gespannt die Ergebnisse des Treffens. „Das, worauf es ankommt, ist, dass die gemeinsame Position der Europäischen Union, die in Versailles und beim Europäischen Rat festgelegt worden ist, klar wiedergegeben wird“, sagte Martin Selmayr. Am wichtigsten sei die Botschaft, dass man "die völkerrechtswidrige Aggression Russlands in der Ukraine" klar verurteile.

(APA/dpa/bsch)

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