Schönstes Gesicht der Pro-Putin-Starfraktion ist die 35-jährige Popsängerin Polina Gagarina, 2015 Zweite beim Eurovision Song Contest. Hier beim Moskauer Konzert mit Putin am 18. März.
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Künstler

Stars an den Kriegsfronten: Wer für und wer gegen Putin auftritt

Vielleicht noch nie seit 1917 verließen so viele „Promis" aus Kultur und Unterhaltung auf einmal Russland. Doch viele stützen auch den Kreml. Dann gibt es noch den weiten, weiten Zwischenraum - mit Künstlern wie dem neu ernannten „Volkskünstler“ Vadim Repin.

Ein Massenexodus russischer Künstler hat seit dem Beginn von Putins Invasion in der Ukraine stattgefunden, wie das Land ihn selten so geballt erlebt hat - und die Frage ist, wie viele davon zurückgehen werden. Unter ihnen sind etwa renommierte Rapper wie Oxxxymiron, Noize MC und Face oder Popstars wie die 23-jährige Monetotschka. Sie spielen nun im Ausland Konzerte zur Unterstützung der Ukrainer. Unter ihnen sind auch Stars des Unterhaltungs-TV wie Moderator und Schauspieler Iwan Urgant oder Komiker Maxim Galkin: Beide jetzt in Israel. Es sind Verluste, die Putin nicht ganz egal sein können.

Da ist auch die nach Lettland ausgereiste, in Russland äußerste beliebte Schauspielerin Tschulpan Chamatowa, die einem internationalen Publikum aus Filmen wie "Good Bye, Lenin!" oder "Luna Papa" bekannt ist. Sogar im österreichischen Film "Hurensohn" von Michael Sturminger war sie zu sehen. Wie leicht oder schwer all diese Künstler es im Ausland haben werden, hängt sehr davon ab, wie vermögend sie sind und ob sie im Ausland schon einen Namen und einen Teil ihres Publikums hatten.

Dann sind da jene, die verbal offen den Krieg unterstützen (Bestsellerautor Zakhar Prilepin ging sogar in den Donbass kämpfen). Außerdem jene bisher schon staatsaffinen Künstler, die den Krieg nicht offen propagieren, aber durch Auftritte dem Kreml Schützenhilfe leisten. Etwa, indem sie beim Konzert zum Geburtstag der Krim-Annexion im Moskauer Luschniki-Stadion gemeinsam mit Putin auftraten oder in der Parallelveranstaltung in Sankt Petersburg. Da ist natürlich auch Dirigent Waleri Gergijew, an dessen Nähe zu Putin der Krieg nichts geändert zu haben scheint und dem nun vielleicht die zusätzliche Leitung des Bolschoi-Theaters winkt.

Und dann ist da der weite, weite Zwischenraum. Zum Beispiel die vielen Künstler, die sich politisch nie groß geäußert haben, aber nach Beginn der Invasion spontan in den sozialen Medien Protest erhoben. Und sich nach wenigen Tagen mit den neuen Zensurgesetzen vom unmissverständlichen Protest verabschieden mussten, weil sie im Land bleiben wollten.

Dass sie nun selbst aufgrund eines einzigen zu Kriegsbeginn abgeschickten Postings größte Probleme bekommen können, zeigt der Fall des 39-jährigen Popsängers Sergei Lasarew, der zwei Mal für Russland beim Eurovision Song Contest den dritten Platz ersungen hat. Abgesehen von einer Lawine an Attacken, Spott und Drohungen und einer sanktionsbedingt ausgefallenen aufwändigen Konzertreihe: Ist es Zufall oder nicht, dass dem begeisterten alleinerziehenden Vater (die Kinder stammen von einer Leihmutter) die Kinderschutzbehörde ausgerechnet jetzt einen Besuch abstattete, wie man hört, und ihm mit dem Entzug des Sorgerechts droht? Geldstrafen und Haft sind jedenfalls nicht die einzigen Mittel, mit denen der russische Staat Existenz und Ruf ruinieren kann. Auch konstruierte juristische Vorwürfe gehören bekanntermaßen dazu.

Außerdem gibt es jene Künstler, die jede öffentliche Äußerung zum Krieg unterlassen haben. Ob der Geiger Wadim Repin oder der Dirigent Teodor Currentzis. Letzterer sendet jetzt bei seinen Konzerten in Europa ukrainefreundliche Signale mittels Programmauswahl und spielt zur Unterstützung ukrainischer Flüchtlinge.

Geiger Repin ist jetzt "Volkskünstler"

An ihnen zeigt sich das Dilemma des künstlerischen Wirkens im autoritären Staat. Sobald es darum geht, auf institutioneller Ebene etwas Größeres auf die Beine zu stellen - ein neues Orchester wie Currentzis' MusicAeterna oder ein ambitioniertes Musikfest wie Repins Transsibirisches Festival in Nowosibirsk -, geht nichts ohne Unterstützung durch den Staat. Solche Projekte können einem liberaleren, offeneren Russland förderlich sein, zugleich sind sie nur am Gängelband des autoritären Systems möglich.

Bei Repin allerdings (der sich als "unpolitischen" Künstler sieht) kommt hinzu, dass der Präsident ihm erst vor wenigen Tagen, am 1. April, eine der wichtigsten staatlichen Künstlerehren zuteil werden hat lassen: den Titel "Volkskünstler". Dass Repin diesen Titel abgelehnt hätte, ist nicht bekannt. Vielleicht war er auch eine Belohnung.


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