Politische Zäsur?

Rechtsextreme Vox erstmals in spanischer Regionalregierung

Alfonso Fernández Mañueco wurde wieder zum Ministerpräsidenten von Kastilien-León gewählt.
Alfonso Fernández Mañueco wurde wieder zum Ministerpräsidenten von Kastilien-León gewählt.APA/AFP/CESAR MANSO
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Spaniens Konservative stehen vor einer rechtspopulistischen.  Gretchenfrage, nachdem Spaniens Volkspartei in Kastilien-León erstmals eine Koalition mit den Rechtspopulisten eingeht. Wird das Regierungsbündnis zum Modell für das ganze Land?

"Ohne Komplexe" und "wie ein Team" werde seine neue Regierungskoalition zusammenarbeiten, versprach der Konservative Alfonso Fernández Mañueco am Montagabend nach seiner Wiederwahl zum Ministerpräsidenten von Kastilien-León. Das neue Regierungsbündnis in Spaniens größter autonomen Region bedeutet eine politische Zäsur für das ganze Land. Zum ersten Mal holte Spaniens konservative Volkspartei (PP) die relativ junge rechtspopulistische Vox in eine Regionalregierung.

Bisher hatte sie sich nur von Vox unterstützen lassen. Die Sozialisten (PSOE) boten Fernández Mañueco noch im letzten Moment eine Enthaltung an, um ohne die Stimmen und die Regierungsbeteiligung von Vox wiedergewählt werden zu können. Doch dafür forderten sie, dass sich die Konservativen auch in anderen Regionalparlamenten nicht einmal mehr von Vox in der Regierung unterstützen lassen. Darauf gingen die Konservativen nicht ein.

Nicht wenige politische Beobachter gehen davon aus, die Regierungskoalition in Kastilien-León könnte den Konservativen gar als Model dafür dienen, bei den spanischen Parlamentswahlen im Herbst kommenden Jahres einen Regierungswechsel zu erreichen. Tatsächlich prophezeien jüngste Umfragen PP und Vox eine absolute Mehrheit, welche die derzeitige linke Minderheitsregierung unter Führung von Ministerpräsidenten Pedro Sánchez 2023 ablösen könnte.

Vox bisher gemieden und isoliert

Die erst 2013 gegründete Vox-Partei, mittlerweile drittstärkste Parlamentsfraktion, wäre sofort dabei. "Bereits die Regierungsbeteiligung in Kastilien-León führt zur lang ersehnten Normalisierung und Akzeptanz der Partei, die bisher von allen anderen Parteien gemieden und isoliert wird", erklärt der spanische Politologe Pablo Simon.

"Diese Regierung wird viele Feinde haben, weshalb es wichtig ist, sie hier und heute zu verteidigen", erklärte Vox-Chef Santiago Abascal am Montagabend in Valladolid bei der Wahl der kastilischen Regionalregierung. Gleichzeitig stellte der Vox-Gründer klar, seine Partei strebe auch bei den kommenden Wahlen in Spaniens bevölkerungsreichster Region Andalusien eine aktive Rolle innerhalb der Regionalregierung an.

In Andalusien half Vox 2018 der PP, nach fast vier Jahrzehnten die Sozialisten aus der Macht zu vertreiben, indem man eine konservative Minderheitsregierung unterstützte. Nach den kommenden Regionalwahlen, die wahrscheinlich noch vor diesem Sommer stattfinden, werde man sich aber nur mit einer Regierungsbeteiligung wie jetzt in Kastilien-León zufriedengeben, deutete Vox-Chef Abascal an.

Spaniens Parteien vor einer Gretchenfrage

So werden sich Spaniens Konservative in den kommenden Monaten gezwungen sehen, sich mit der Gretchenfrage zu beschäftigen, die heuer alle konservativen Parteien in Europa in Atem hält: Wie verhält man sich gegenüber den Rechtspopulisten? Ein Zusammengehen mit Vox birgt durchaus Gefahren. Die Rechtspopulisten konnten sich in nur wenigen Jahren als drittstärkste Fraktion nur wenige Prozentpunkte hinter den Konservativen positionieren.

Die PP dürfte versuchen, Vox zu schlucken und viele moderate Rechtswähler abspenstig zu machen. Doch auch das Gegenteil kann passieren. Und in Kastilien-León konnten die Rechtspopulisten der Koalition bereits ihren politischen Stempel aufdrücken. So wird die neue Regierungskoalition beispielsweise das regionale Gesetz zur "historischen Erinnerung" verwässern, das bisher zur Aufarbeitung der Verbrechen während der Franco-Diktatur diente.

Wie wird Feijóo fortfahren?

Nun schauen alle auf Spaniens neuen konservativen Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo, der sich bisher aber noch nicht in die Karten schauen lässt. Erst Ende März übernahm der 60-jährige Galizier die Führung der spanischen Volkspartei. Er hält Distanz zu Vox, verhandelt sogar mit Sánchez' Regierung mehrere "Staatspakte", um die Folgen des Ukraine-Kriegs zu mildern. Gleichzeitig ließ er Fernández Mañueco in Kastilien-León bei der Regierungsbildung freie Hand und bezeichnete die Koalition mit Vox als "völlig legitim" und "verantwortungsvoll". Dennoch erschien er am Montagabend nicht zur Wahl der konservativen Regionalregierung im Regionalparlament in Valladolid.

Wahrscheinlich wollte er das Foto mit Vox-Chef Santiago Abascal vermeiden. Der pragmatische Konservative tut sich schwer mit Vox, ist ein Mann der politischen Mitte. Als galicischer Regionalpräsident weist er gerne darauf hin, dass Vox im Regionalparlament in Santiago de Compostela niemals eine Chance hatte. Vox hatte er stets als "rechtsextrem" von sämtlichen Verhandlungen ausgeschlossen. Doch nun ist er nicht mehr Regierungschef im beschaulichen Galizien, wo er seit Jahren gemütlich mit einer absoluten Mehrheit im äußersten Nordwesten Spaniens regiert. Als neuer Oppositionsführer muss er nun aber ganz Spanien im Blick haben.

(APA/Manuel Meyer)

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