Diplomatie

Bei Nehammers Treffen mit Putin ging es offenbar auch um Gas

Die Reise von Bundeskanzler Nehammer nach Moskau wurde international genau beobachtet.
Die Reise von Bundeskanzler Nehammer nach Moskau wurde international genau beobachtet.APA/BKA/DRAGAN TATIC
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Putin habe von sich aus das Thema Gas angesprochen, erklärt der Kanzler. Die Versorgung sei gesichert, auch könne weiter in Euro bezahlt werden. Beide Seiten würden sich auf eine „verheerende Schlacht" in der Ostukraine einstellen.

Was hat Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Montag mit Wladimir Putin besprochen? In Moskau versuchte der österreichische Kanzler, die Gräuel und Kriegsverbrechen zur Sprache zu bringen und den Kreml-Chef damit zu konfrontieren. Ein redliches, couragiertes, vielleicht auch naives, aber letztlich wenig erfolgsversprechendes Unterfangen. Das war in etwa das Fazit. Im Gespräch mit Putin dürfte es aber auch um russische Gaslieferungen nach Österreich gegangen sein, wie der Bundeskanzler am Mittwochabend nun erklärte.

Im Gespräch mit den Nachrichtenagenturen APA und dpa gab Nehammer weitere Einblicke in das Gespräch Putin-Nehammer aus Bundeskanzler-Perspektive. So habe Putin am Montag in Moskau die Gasfrage bei seinem Besuch selbst angesprochen, sagte Nehammer am Mittwoch. Putin habe erklärt, "dass die Gasversorgung gesichert ist, dass Russland die Quantitäten liefert, wie vertraglich zugesagt und dass in Euro weiter bezahlt werden kann."

Von seiner Seite habe es den Hinweis gegeben, dass alle Änderungen Sanktionen-konform sein müssten, sagte Nehammer. Putin hatte zuvor angewiesen, Gas an westliche Staaten nur noch gegen Rubel zu verkaufen, was diese strikt ablehnen. Daraufhin erließ Putin ein Dekret, das westliche Kunden verpflichtet, ein Rubelkonto bei der Gazprombank zu eröffnen und die Zahlungen darüber abzuwickeln.

Russische Medien warfen Nehammer „Erpressung“ vor

Die Sorge des Bundeskanzleramts war groß gewesen, dass Nehammers Besuch für Propaganda eingesetzt werden könnte. Ein erfolgreich durchgesetztes Bilderverbot sorgte dafür, dass Nehammers Besuch in Russland auch kaum Beachtung fand. Das Thema „Gas“ nannte allerdings die russische „Nachrichtenseite" pravda.ru als Grund für Nehammers Besuch. „Warum Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer nach Russland ging“ war der Titel des Artikels. Im Text geht es maßgeblich darum, dass Nehammer nicht gekommen sei, um über die Kriegsverbrechen in der Ukraine zu reden, oder als Friedensstifter zu agieren, es sei "nur um sein Land" und die Gasversorgung gegangen, denn immerhin sei Österreich zu 80 Prozent von Russlands Gas abhängig.

Sogar von Erpressung war die Rede: "Karl Nehammer versuchte offen, den russischen Präsidenten zu erpressen, indem er sagte, er werde den Weltmedien bestätigen, dass Russland ein Schlächter sei", heißt es in dem Bericht der kremltreuen Nachrichtenseite.

„Putin in der Kriegslogik angekommen"

Nehammer zeigte sich pessimistisch, dass eine große Schlacht im Donbass im Osten der Ukraine noch abgewendet werden könne. "Grundsätzlich droht jetzt die brutale Konfrontation im Donbass", so der Kanzler nach seinen Gesprächen in Kiew und Moskau. "Es stellen sich beide Seiten auf eine sehr intensive und aus menschlicher Sicht verheerende Schlacht ein."

"Putin ist in seiner Argumentation vollständig in der Kriegslogik angekommen", bekräftigte Nehammer. "Er ist sich dessen bewusst, dass die Sanktionen der Russischen Föderation schaden. Er ist sich dessen bewusst, dass der Krieg viel Leid und Schrecken verbreitet. Das war ganz klar. Aber er ist in seiner Kriegslogik alternativlos." Auch über die Folgen für Russland sei sich der Kremlchef im Klaren, so der Kanzler: "Was für mich schon im Gespräch mit Putin sichtbar war, dass er sehr wohl sich bewusst ist, dass der Krieg schwere Folgen hat, auch für sein Land."

Nehammer sieht Potenzial, „diesen Krieg zu beenden"

Dennoch habe er sowohl auf russischer als auch auf ukrainischer Seite wahrgenommen, "dass es Potenzial gibt, diesen Krieg zu beenden". Beide seien auf den Istanbuler Prozess zu reden gekommen. "Die große Frage wird sein: wie kann ein gesichtswahrendes Ende des Krieges für beide Seiten möglich sein? Da glaube ich nicht, dass alle Türen geschlossen sind, aber dass es immer weniger sind, die offen sind." Russland habe erkannt, dass die militärische Widerstandskraft der Ukraine gefährlich sei, die ukrainische Abschussquote sei "riesig".

Ein Gasembargo gegen Russland lehnte Nehammer weiterhin ab. "Beim Gasembargo geht es um die Kraft des Faktischen", sagte er. Sowohl Deutschland als auch Österreich als auch Bulgarien, Rumänien und Ungarn seien in hohem Maße von russischem Gas abhängig. "Von sich aus dieses Gasembargo zu fordern, würde bedeuten, dass sowohl die Industrie als auch die Haushalte durch das Nicht-Liefern des Gases schweren Schaden erleiden."

Damit verbunden wäre auch der Verlust von Arbeitsplätzen und eine Gefährdung des sozialen Ausgleichs. "Das ist keine Frage, ob wir es nicht wollen", so Nehammer. Durch Kriegsfolgen könnten auch noch Pipelines gesprengt werden oder Gas nicht geliefert werden, "das Risiko ist ja ohnehin da". Auch Österreich versuche zu diversifizieren, dies brauche aber auch Zeit.

Nehammer ortet große Wirkung bei jüngsten Sanktionen

Nehammer zeigte sich zuversichtlich, dass die bisher letzten Sanktionen gegen Russland mit elektronischen Bauteilen aus dem Westen eine sehr große Wirkung entfalten könnten, jedoch braucht dies auch Zeit. "Wenn da noch Lagerbestände vorhanden sind, wirkt sich das nicht gleich aus, aber mittelfristig auf jeden Fall. Das trifft nämlich vor allem die Rüstungsindustrie." Damit könnte langfristig tatsächlich die Einsatzfähigkeit der russischen Armee deutlich reduziert werden. Derartige Bauteile seien in Drohnen und Fahrzeugen wie Panzer und Mannschaftstransportwagen verbaut.

Mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan will Nehammer sich demnächst über seine Moskau-Reise austauschen und über den Istanbuler Prozess reden. Am Sonntag führte der Kanzler dazu ein Telefonat mit Estlands Regierungschefin Kaja Kallas. Angesprochen auf die Kritik an seiner Reise aus den baltischen Staaten und aus Polen, sagte Nehammer, es sei ein Unterschied, ob man nur telefoniere oder "über Butscha zu sprechen und dabei Putin direkt in die Augen zu sehen". Putin habe ihm gegenüber zugesagt, er kooperiere mit dem Internationalen Roten Kreuz. Dies seien alles wichtige Punkte, die ohne ein Gespräch nicht deponierbar seien. Nehammer kündigte in nächster Zeit einen Besuch in Estland an.

(APA)

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