IV-Präsident Georg Knill vermisst das strategische Denken der Politik
Interview

„Der Politik fehlt die Strategie“

Der Präsident der Industriellenvereinigung Georg Knill warnt davor, mit voreiligen Handlungen den Wirtschaftsstandort zu schädigen und vermisst die Leadership der Regierung.

Der geplante Ausstieg aus fossiler Energie hat durch den Ukraine-Krieg noch einmal an Bedeutung gewonnen, ist doch dadurch die Abhängigkeit von russischem Erdgas ganz deutlich sichtbar geworden.

IV-Präsident Georg Knill: Die Abhängigkeit ist tatsächlich gegeben. Aber jetzt leichtfertig einen Stopp des Imports von Gas und Öl zu verhängen, um Russland zu treffen, ist der falsche Weg. Denn mit einem plötzlichen Gas-Stopp würden wir uns nur selbst mehr schaden. Natürlich brauchen wir jetzt, wenn es wärmer wird, Gas nicht unbedingt mehr zum Heizen. Aber in vielen Wohnungen wird mit Gas auch Warmwasser erzeugt und gekocht. Was aber noch viel wichtiger ist: Gas ist für die heimische Industrie der Energieträger. Ein Gas-Stopp würde in Österreich somit definitiv zu einem Produktionsstopp führen ­– mit all seinen sozialen und wirtschaftlichen Folgen.

Damit meinen Sie einen deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit?

Wenn die Industrie nicht mehr produzieren kann, bedeutet das nicht nur Hunderttausende Arbeitslose, sondern auch massive Versorgungsprobleme in nahezu allen Lebensbereichen. Also vom Medikament bis zum Lebensmittel.

Sie können also dem von EU-Ratspräsident Charles Michel in den Raum gestellten Importstopp von russischem Öl und Gas nichts abgewinnen?

Absolut nicht. Diese Wortmeldung halte ich für fahrlässig. Und sie zeugt von Unverständnis für die österreichische, aber auch deutsche Industrie, die russisches Gas unbedingt brauchen und keine mittelfristige Alternative haben. Anders sieht es beispielsweise in manchen Mittelmeerländern aus, da gibt es keine Abhängigkeit. Ich will aber gleich eines klarstellen: Ich bin sehr wohl für die Dekarbonisierung – nur darf diese nicht zur Deindustrialisierung führen.

Österreich will bis 2040 klimaneutral werden, übrigens zehn Jahre vor der EU...

Der Green Deal ist durchaus ambitioniert und erfordert einen massiven Kraftakt von uns allen. Die Industrie nimmt ihre Verantwortung gern wahr und leistet ihren Beitrag dazu – nicht zuletzt, weil wir wissen, dass die Transformation nur mit uns gelingen kann. Wir haben zahlreiche Unternehmen im Land, die ihren Umsatz bereits mehrheitlich mit Greentech machen. Sie stellen klimaschonend Produkte her und sparen damit weltweit CO2 ein. Was uns jedoch fehlt, ist die Politik, die uns auf diesem Weg begleitet.

Was vermissen Sie dabei am meisten?

Da gibt es einiges: So gibt es zwar die Zielvorgabe, aber niemand weiß, wie die Ziele erreicht werden sollen. Allein dass bis 2030 der Strom, auf den nur rund 20 Prozent des Endenergieverbrauchs entfallen, aus erneuerbaren Quellen kommen soll, ist eine Marathonaufgabe. Der Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle, also der verbleibenden 80 Prozent aus heutiger Sicht, ist ein Triathlon, der jetzt noch schneller absolviert werden soll. Angesichts dessen ist es höchste Zeit, dass die Energieministerin dazu strategische Maßnahmen festlegt. Meines Erachtens ist die Klimapolitik bisher eher von Umweltaktivismus geprägt als von ministerieller Verantwortung.

Das sind harte Bandagen...

Die Transformation ist politisch gewollt und stellt einen massiven Eingriff in die Marktmechanismen dar. Ich sehe daher die Gefahr von massiven Wettbewerbsnachteilen für die österreichische Wirtschaft und dass wir ins offene Messer laufen. Schon jetzt sind die Energiekosten in Österreich deutlich höher als in Deutschland, Schweden, den USA oder China. Das ist keine nachhaltige Politik.

Zur Person

Georg Knill (49) ist Präsident der österreichischen Industriellenvereinigung und  Miteigentümer der Knill Gruppe. Am 23. Mai wird er am diesjährigen Wiener Strategieforum teilnehmen.

A propos Nachhaltigkeit: Ich habe den Eindruck, dass Nachhaltigkeit meist nur unter dem ökologischen Aspekt betrachtet wird. Die soziale und ökonomische Nachhaltigkeit hingegen kommen zu kurz.

Das stimmt, in der allgemeinen Diskussion geht es meist nur um ökologische Nachhaltigkeit. Dabei hat die Industrie schon in der Vergangenheit gezeigt, dass man alle drei Aspekte der Nachhaltigkeit sehr gut verknüpfen kann.

Inwiefern?

Wir haben viele Mitgliedsbetriebe, die seit vielen Generationen in Familienbesitz und mehr als 100 Jahre alt sind. Mein Unternehmen beispielsweise gibt es seit 300 Jahren. Das ist gelebte Nachhaltigkeit.

Ich möchte noch einmal zurück zur Politik: Was bräuchte es, um die Transformation erfolgreich zu bewältigen?

Es gibt ein paar Grundregeln für Change-Management-Prozesse – und wir befinden uns in einem der größten und tiefgreifendsten: Zum einen muss man die Gesellschaft abholen, mitnehmen und von den Vorteilen überzeugen. Das geht nicht mit Verboten oder dadurch, dass nichts mehr im Börsel bleibt. Und zum anderen braucht es eben entsprechende Rahmenbedingungen.

Welche Rahmenbedingungen würden Sie sich wünschen, damit die Dekarbonisierung nicht zur Deindustriealisierung wird, um mit Ihren Worten zu sprechen?

Ein wichtiges Thema sind Genehmigungen, die endlos dauern. Wenn Windräder eingereicht werden, kann es sein, dass sie erst bewilligt werden, wenn es bereits eine neue Generation gibt. Das lässt uns an der Ernsthaftigkeit des politischen Willens zweifeln. Ein anderes Thema ist das Erneuerbaren Ausbau Gesetz (EAG): Es wurde im Juli 2021 beschlossen, aber es gibt noch immer nicht die fertigen Richtlinien, um es zur Umsetzung zu bringen. Weiters spricht die Regierung dauernd von neuen Gesetzen, die wieder mit Belastungen verbunden sind, aber nicht im Masterplan eingebunden sind. Eigentlich müsste die Reihenfolge sein: Zuerst der Masterplan, dann die notwendigen Gesetze. Darüber hinaus fehlt eine klare Position zu den Frei-Zertifikaten im Emissionshandel. In diesem Zusammenhang fordern wir auch einen Transformationsfonds für Anschubförderungen, um Innovationen zu ermöglichen. Dieser sollte aus den rund 300 Millionen Euro pro Jahr, die heimische Unternehmen an Steuern für ETS-Zertifikate zahlen, gespeist werden und für rund zehn Jahre ausgelegt werden, um den Unternehmen auch die notwendige Planungssicherheit zu geben.

Das ist eine lange Liste….

Die Politik zeigt in den Krisen laufend, wie schwer sie sich damit tut. Eigentlich sollte eine Regierung Leadership mitbringen. Wie das geht, leben wir in den Unternehmen vor. Und es fehlt ihr die Strategie. Auch das zeigen wir ständig: Man setzt sich Ziele, teilt sie in Zwischenschritte und unterlegt alles mit Maßnahmen. Aktuell schauen wir neidvoll nach Deutschland, wo transparent, offen und zielgerichtet gehandelt wird. Das bräuchten auch wir: Die Politik sollte offen auf uns zugehen, auf unsere Expertise und Innovationen setzen und nicht auf vorgefertigten Meinungen beharren.

Information

Das Wiener Strategieforum ist eine Top-Executive-Community des Instituts für Strategisches Management der WU Wien und findet in Kooperation mit der „Presse“ statt.

Mehr Information unter www.diepresse.com/strategie

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