Testessen in der Trattoria Martinelli

Christine Pichler
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Italofinesse mit Safranüppigkeit und Seniorenbeige: Harald Riedl in der neu gestalteten Trattoria Martinelli.

Nach einer 2018 an dieser Stelle erschienenen Kritik über die Trattoria Martinelli, in der das mäßig erfolgreich gealterte Ambiente nicht unbedingt positiv beschrieben wurde, hatte Luigi Barbaro noch ein wütendes E-Mail geschrieben. Sinngemäß stand darin, dass es eben reichen internationalen Erfahrungsschatz brauche, um sein außergewöhnlich schönes Interieur würdigen zu können. Nun hat die Familie offenbar selbst erkannt: Es ginge doch deutlich fescher.

Gleich blieben im Speiseraum dieses Uritalieners im Wiener Palais Harrach nur der Fliesenboden und die Holztische. Das Twinni-Grün der Wände wich Weiß und hellgrauer Lamperie, dazu gesellten sich lindgrüne Samtbänke, ein schwerer Luster aus vielen Retrolampenschirmen und ein Wandgemälde. Den loungeartigen Eingangsbereich mit der Bar dominieren italienische Weinflaschen und Delikatessen in hohen dunklen Regalen.

Sternekoch-Klassiker

Zu dieser Runderneuerung kommt nun auch ein neuer Name in der Küche, ein alter Bekannter der aus Neapel stammenden Gastronomiefamilie: Harald Riedl. Er hat unter anderem in Barbaros RieGi gekocht, in dem er mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde. Das weiche Ei in Parmesankruste, einen seiner Klassiker, setzte Riedl auch in der Trattoria Martinelli auf die Karte, flankiert von dicken Stücken Lachs und Zitronenmayonnaise, auch dem Perlhuhn frönt er weiterhin.
Zu Mittag kann man hier unter anderem auf einen ehemaligen Landeshauptmann treffen, ein betagtes italienisches Paar (er bestellt auch für sie) und eine deutsche Touristengruppe, O-Ton: „Der Koch hat da so’n gelbes Gewürz an den Reis gemacht.“

Christine Pichler

Der Safranrisotto mit dicken Garnelen zeugt von üppigem Einsatz besagten ­gelben Gewürzes und allerbestem Handwerk. Genauso makellos und herrlich klassisch die krustentierdichte Fischsuppe mit bissfesten Miniravioli, gekonnt modern die sauer eingelegte Makrele mit Fenchelsalat und Kräuteröl. Mit etwas weniger Aufmerksamkeit wurden die Ricotta­gnocchi mit Mozzarella und Paradeisern bedacht. Umso eleganter in Konsistenz und Geschmack dann das Kaffee-Ricotta-Dessert in (naturgemäß wenig ansprechenden) Seniorenbeige-Schattierungen.

Das alles zu Menüpreisen von gerade einmal 35 Euro für drei oder 59 Euro für vier Gänge. Die sich bei jedem Gang anpirschende Kellner-Pfeffermühlen-Symbiose gibt es übrigens weiterhin. Schüchterner Einwurf: Ist diese Omnipfefferei eigentlich mit Harald Riedl abgesprochen?

Trattoria Martinelli

Im Palais Harrach, Freyung 3, 1010 Wien, Tel.: +43/(0)1/533 67 21, Restaurant: täglich 11.30-23.30 Uhr.

("Die Presse Schaufenster" vom 15.4.2022)

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