Menschen morden auch im sanftesten Mondlicht: Das wusste der Dichter von „Der Mond ist aufgegangen“, als er ein unvergessliches Antikriegs-Gedicht schrieb.
Sein Gedicht „Der Tod und das Mädchen“ hat Schubert inspiriert, „Der Mond ist aufgegangen“ wurde, ebenfalls vertont, zu einem der schönsten deutschsprachigen Abendlieder. Der norddeutsche Dichter Matthias Claudius ist seit über 200 Jahren tot, aber immer wieder passieren Dinge, die seine Verse wieder aufleben lassen. 2020 etwa Corona. Da lud die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) zum „Balkonsingen“ ein, täglich um 19 Uhr mit „Der Mond ist aufgegangen“. Obwohl die politische Korrektheit der Schlusszeilen „Und lass uns ruhig schlafen, und unsern kranken Nachbar auch!“ offenbar für die EKD nicht gegeben ist. (In ihren Gesangbüchern hatte sie „und alle kranken Menschen auch“ daraus gemacht, worauf der Verein Deutsche Sprache sie zu „Sprachpanschern des Jahres“ ernannte.)
Aber reden wir nicht über Lappalien, sondern über den Krieg. „'s ist Krieg! 's ist Krieg! O Gottes Engel wehre / Und rede Du darein! / 's ist leider Krieg – und ich begehre / Nicht schuld daran zu sein!“ So beginnt ein anderes berühmtes Gedicht von Claudius. Die sonst so harmlose Entschuldigungsfloskel „leider“ wird hier zum Zeichen tiefster Ohnmacht. Karl Kraus, der während des Ersten Weltkriegs dieses „Kriegslied“ oft öffentlich vortrug, schrieb über das Wort „leider“ darin, es sei der „tiefste Komparativ von Leid, vor dem alle Leidenslyrik vergeht“.