Wiederverwendung von Baumaterialien: Während Kunststoffe noch immer ein Problem darstellen, gibt es für Gips und Mineralwolle ab 2026 ein Deponierverbot.
Re-Use

„Zu viel landet auf den Deponien“

Ressourcenknappheit und Lieferengpässe rücken das Thema Kreislaufwirtschaft aktuell noch stärker als bisher ins Scheinwerferlicht – auch im Baubereich.

Weltweit werden die Ressourcen immer knapper – auch jene, die die Bauwirtschaft benötigt. Die Nachfrage nach Sand und Kies beispielsweise hat sich laut einer im Vorjahr präsentierten Studie des UNO-Umweltprogramms (Unep) in den vergangenen 20 Jahren verdreifacht. Mit 40 bis 50 Milliarden Tonnen pro Jahr sei Sand mittlerweile einer der wichtigsten Handelsrohstoffe weltweit, so die Unep, die bereits 2012 auf Sandknappheit hingewiesen hat. Durch den Krieg in der Ukraine hat das Thema noch einmal an Brisanz gewonnen: Stahl, Vorprodukte für die Produktion von Fliesen, Aluminium oder Bitumen sind kaum oder nur zu Tagespreisen zu bekommen.

Problemfall Verbundsysteme

Kein Wunder also, dass die Kreislaufwirtschaft mehr denn je in den Fokus rückt. „Zumindest die Errichtung von Bauwerken betreffend ist sie bereits sehr weit fortgeschritten“, sagt Stefan Graf, CEO der Leyrer + Graf Baugesellschaft. Mineralische Baustoffe, Stahl und Schrott würden mittlerweile sehr gut recycliert. Noch einiges Potenzial gäbe es hingegen bei Kunststoffen: „Es passiert zwar einiges, aber es landet noch immer viel davon auf Deponien“, sagt Graf. Bei Gips und Mineralwolle, die ebenfalls noch häufig deponiert werden, soll es damit übrigens bald vorbei sein: „Ab 2026 gibt es für beide ein Deponierverbot“, erzählt Thomas Romm, Architekt und Gründer des auf Re-Use spezialisierten Start-ups Bau Karussell.

Eine große Herausforderung bei der Wiederverwendung von Baumaterialien ist Graf zufolge die Tatsache, dass die einzelnen Baustoffe oft zu einem kompakten, in sich geschlossenen System zusammengefügt werden. „Wenn alles stark verbunden ist, ist die Trennung oft schwierig.“ Er tritt dafür ein, bereits bei der Planung den möglichen Rückbau des Gebäudes zu bedenken. Dafür müssten aber einige Baukonzepte überdacht werden. Um die Trennung zu erleichtern, sollten Kabel beispielsweise nicht mehr in der Wand, sondern hinter abgehängten Decken verlegt werden. Hubert Rhomberg, CEO der Rhomberg-Gruppe, tritt ebenfalls dafür ein, Gebäude auch in Hinblick auf ihren Abriss intelligent zu planen: „Es sollte keine Baugenehmigung geben, wenn für das Gebäude nicht ein digitales Abbild, eine Liste mit Angaben zu den verwendeten Materialien oder deren Menge sowie eine Anleitung zum Rückbau vorliegt“, fordert er. Diese Informationen würden zu einem Umdenken führen: „Heute ist in den Köpfen, dass ein Abbruch nur Geld kostet. Weiß man aber, was in welchem Umfang drin ist, so bekommt auch ein Abbruchgebäude einen Wert“, ist Rhomberg überzeugt. Er selbst engagiert sich in dieser Hinsicht mit seinem 2010 gegründeten internationalen Technologie- und Beratungsunternehmen Cree Buildings, das Lösungen für mehrgeschoßige Holzhybridgebäude aus vorgefertigten Bauteilen entwickelt hat und diese Technologie auch anderen Unternehmen zur Verfügung stellt.

Bestand vor Neubau

Ausbildung

Abbruch sollte allerdings nur die letzte Option sein. Nicht zuletzt deshalb, „da uns die Kreislaufwirtschaft nicht retten wird“, betont Romm. Denn der Ressourcenbedarf sei dreimal höher als das Abfallaufkommen. „Wir reden von 200 Millionen Tonnen pro Jahr, an Abfall fallen aber nur etwa 60 Millionen Tonnen an“, rechnet er vor. Angesichts dessen müsse das Ziel eine Verringerung des Ressourcenverbrauchs sein. „Wir müssen mehr auf den Bestand setzen, wobei es da nicht nur um die Sanierung, sondern auch um die Weiterentwicklung der Gebäude geht“, so der Architekt. In Österreich würden Gebäude nach wie vor viel zu rasch abgebrochen, während in Deutschland bereits 65 Prozent der Arbeiten des Bauwesens im Bestand passieren würden. „Bauen im Bestand ist mühsam, daher braucht es auch da mehr Intelligenz in der Planung“, sagt Romm. Auch Rhomberg, der nicht nur für Recycling, sondern, wenn möglich, für Upcycling eintritt, will Neubauten eindämmen: „Sie sollten nur unter schweren Vorbehalten genehmigt werden“, sagt er. Weiters müsste es seiner Ansicht nach ein Gesetz geben, wonach ausgebauter Asphalt verpflichtend wieder in Asphaltmischmaschinen und nicht wie derzeit als Befestigungsmaterial für Wege verwendet werden sollte. „Dadurch brauchte man weniger Bitumen und Gas“, sagt Rhomberg. Die Umwelt würde es danken: „Heute werden weltweit acht Prozent der Rohstoffe recycelt. Würde man das verdoppeln, könnte man beispielsweise 50 Prozent des CO2-Ausstoßes einsparen“, weiß er.Bau Karussell hat in Zusammenarbeit mit dem sozialwirtschaftlichen Betrieb Die Kümmerei kürzlich eine Teilqualifizierung zum „Social Urban Miner“ vorgestellt. Der Kurs richtet sich an benachteiligte Arbeitssuchende, denen in mehreren Ausbildungsmodulen das nötige Know-how vermittelt wird, um in kreislaufwirtschaftlichen Rückbauprojekten tätig werden zu können. Mehr Infos dazu unter: www.baukarussell.at

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