Steuern

Abgabenquote sprang im vergangenen Jahr auf 20-Jahres-Hoch

Finanzminister Magnus Brunner konnte sich 2021 über sprudelnde Steuereinnahmen freuen. (Archivbild)
Finanzminister Magnus Brunner konnte sich 2021 über sprudelnde Steuereinnahmen freuen. (Archivbild)APA/AFP/KENZO TRIBOUILLARD
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Österreichs Abgabenquote war schon bisher im EU-Vergleich hoch. Auch heuer legten die Steuereinnahmen bisher zu. Die kalte Progression könnte die Entlastungen der Steuerreform komplett zunichte machen.

Die Richtung gibt das Regierungsprogramm eigentlich vor. Die im EU-Vergleich hohe Abgabenquote in Österreich soll sich nach unten bewegen, in die Nähe von 40 Prozent. Im vergangenen Jahr hat Türkis-Grün mit der ökosozialen Steuerreform auch ein umfangreiches Entlastungspaket vorgelegt. Und dennoch: Das Verhältnis von Steuern und Sozialabgaben zur gesamten Wirtschaftsleistung erreichte mit 44 Prozent den höchsten Wert seit 20 Jahren, 2020 lag die Abgabenquote noch bei 42,8 Prozent. Was ist da los?

Allerhand. Vor allem aber zeigt der sprunghafte Anstieg der Abgabenquote, dass die vergangenen zwei Jahre wirtschaftlich turbulent waren. „Die wirtschaftliche Situation ist sehr volatil, auch die Abgabenquote“, sagt Margit Schratzenstaller vom Wifo. Die Wirtschaftsleistung brach im ersten Coronajahr ein, Hilfspakete wurden geschnürt, auch etwa die Mehrwertsteuer wurde auf bestimmte Waren zeitweise gesenkt. Das allein kann für erhebliche statistische Effekte sorgen. Zahlen zur Abgabenquote in anderen EU-Staaten liegen für 2021 noch nicht vor.

Jedenfalls konnte sich Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) 2021 über sprudelnde Steuereinnahmen freuen. Die einnahmenstarke Umsatzsteuer brachte um zwei Prozent mehr ein als 2020, die Lohnsteuer um 5,7 Prozent. Weniger einnahmenstarke Steuern wie die Kapitalertragsteuer brachten sogar um mehr als 40 Prozent mehr ein als 2020. Bei der Grunderwerbsteuer betrug das Plus 25,9 Prozent.

Steuereinnahmen sprudeln

Der Trend setzt sich fort. In den ersten beiden Monaten spielte die Umsatzsteuer im Jahresvergleich sogar um 13,5 Prozent mehr ein, mit den zuletzt starken Preissteigerungen wachsen auch die Einnahmen. Ob es sich beim jüngsten Anstieg der Abgabenquote um einen kurzfristigen Effekt handelt, müsse sich aber erst zeigen, so Schratzenstaller. Noch unklar sei, wie sich das Zusammenspiel der Maßnahmen der Steuerreform auf den Indikator letztlich auswirken wird. Erst Mitte 2022 beginnt etwa die Einkommensteuer in der dritten und vierten Tarifstufe zu sinken.

Auch wenn die Abgabenquote in Österreich im EU-Vergleich zu den höchsten gehört, grundsätzlich problematisch sind auch 44 Prozent nicht. Die Abgabenquote an sich ist bloß ein Indikator dafür, welcher Anteil der Wirtschaftsleistung über den öffentlichen Sektor läuft, erklärt Schratzenstaller. Entscheidend sei, ob die öffentliche Hand effizient und sinnvoll mit dem Geld umgeht, sowie strukturelle Fragen, wie etwa die Belastung des Faktors Arbeit im Vergleich zum Faktor Kapital.

Kalte Progression bedroht Entlastung

Und hier könnte es tatsächlich nachhaltig zu einer Mehrbelastung von Arbeit kommen. Nämlich dann, wenn die Teuerung anhält. Das Neos Lab schreibt in einer Analyse, dass selbst bei vergleichsweise konservativen Inflationsprognosen die Lohnsteuerentlastungen der ökosozialen Steuerreform bis 2025 fast vollständig von der kalten Progression zunichtegemacht würden.

Mit Blick auf die Energiepreisentwicklung prophezeit Günther Oswald von der pinken Parteiakademie, dass die Haushalte bis zum Ende von Türkis-Grün an Kaufkraft verlieren werden – und das selbst bei eher günstigen Annahmen über die Preisentwicklung. Es brauche Strukturreformen und ein Ende der kalten Progression.

Kein Anreiz für Abschaffung

Ob die Regierung die kalte Progression aber angeht, ist fraglich. Aus Koalitionskreisen hört man, dass es besser sei, gezielt untere Einkommensschichten zu entlasten, als die Tarifstufen an die Inflation anzupassen. Das helfe letztlich den oberen Einkommensschichten am meisten. Es gibt auch Anreize, die kalte Progression nicht anzufassen.

Dem Finanzminister winken bei steigenden Einkommen auch immer höhere Steuereinnahmen. Und zweitens nähme sich die Regierung damit steuerpolitische Spielräume. Österreich geht bisher den Weg, immer wieder ein Entlastungspaket zu schnüren.

Ruf nach Verwaltungsreform

Wobei Experten der Steuerstruktur im Land sehr wohl Bedarf an Reformen attestieren. Der Faktor Arbeit ist in Österreich bereits sehr stark belastet, sowohl über die Einkommensteuer als auch über die Lohnnebenkosten. Vermögensbezogene Steuern sind etwa beschäftigungsfreundlicher, da gebe es Spielraum, sagt Schratzenstaller.

Und vor allem in der öffentlichen Verwaltung gebe es einige Ineffizienzen, zum Beispiel beim Föderalismus, im Förderwesen oder in der Bildungsverwaltung. „Ich vermisse seit Ausbruch der Pandemie überhaupt eine Debatte über Reformen der öffentlichen Verwaltung“, sagt die Wifo-Expertin: „Der Finanzausgleich wurde gerade bis Ende 2023 verlängert, in diesem Zeitfenster sollte man eine Föderalismusreform in Angriff nehmen.“ Die könne man dann nutzen, um die Steuerzahler zu entlasten – oder um mehr Spielraum für wichtige Investitionen zu haben, zum Beispiel in die Energiewende.

Sparen im System

Wie bringt man die Regierung zu Strukturreformen? Laut Oswald würde es helfen, die kalte Progression abzuschaffen. Wenn sich das Finanzministerium nicht mehr darauf verlassen kann, dass mit den Löhnen auch die Steuerlast auf Einkommen steigt, müsse sich die Regierung eben überlegen, wie sie im System sparen kann.

Der jüngste Anstieg der Abgabenquote zeige sehr wohl, dass das Steuersystem reformiert gehört, betont man beim Neos Lab. Derzeit gelte: Wächst die Wirtschaft, wachse die Steuerlast umso mehr.

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