Lebensversicherungen: So wenig Ertrag wie nie

(c) Erwin Wodicka
  • Drucken

Auf Anordnung der Finanzmarktaufsicht müssen die Lebensversicherungen ab April des nächsten Jahres den Garantiezins auf 2,0 Prozent senken. Das niedrige Zinsniveau schränkt den Spielraum für die Assekuranzen ein.

Wien. Der Boom bei Lebensversicherungen reißt nicht ab. 10,4 Millionen Verträge wurden laut Angaben des Versicherungsverbands in Österreich abgeschlossen – Tendenz steigend. Dabei sind die Renditen wegen des aktuellen Zinsniveaus auf ein Rekordtief gefallen. Am Dienstag hat die Finanzmarktaufsicht angeordnet, dass die Versicherungen den Garantiezinssatz bei klassischen Lebenspolizzen ab April 2011 von 2,25 Prozent auf 2,00 Prozent senken müssen. Bei der prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge kommt künftig ein Zinssatz von 1,75 Prozent (bisher 2,0 Prozent) zur Anwendung. Hintergrund: Die garantierte Verzinsung ist für die Branche verpflichtend vorgeschrieben. Daneben erhalten die Kunden noch eine Gewinnbeteiligung. Legt eine Versicherung das Geld gut an, schaut für die Polizzeninhaber mehr heraus.

Niedrige Renditen bei Staatsanleihen

Walter Hager vom Verein für Konsumenteninformation schätzt, dass die meisten Anbieter heuer einen Bruttoertrag von 3,0 bis 3,5 Prozent ausschütten werden. Unterm Strich ist es aber weniger. Denn laut Hager sind auch die Verwaltungskosten und Provisionen zu beachten. Diese schmälern langfristig die jährlichen Erträge um 1,0 bis 1,5 Prozent. „Die Lebensversicherungen befinden sich in einem Dilemma“, so der VKI-Experte. Denn mit einem Großteil der Kundengelder werden sichere Staatsanleihen gekauft. Eine zehnjährige deutsche Bundesanleihe bringt aber nur 2,7 Prozent. Von einem möglichen Börsenaufschwung profitieren die Versicherungen kaum, da die Aktienquote mit vier bis fünf Prozent niedrig ist.

Die am Dienstag bekannt gegebene FMA-Anordnung gilt nur für Neukunden. Wer bis Ende März 2011 eine Lebensversicherung abschließt, profitiert vom alten Garantiezinssatz von 2,25 Prozent. Das eigentliche Problem für die Versicherungen besteht darin, dass sie noch viele alte Verträge haben, bei denen bis zu vier Prozent pro Jahr garantiert sind. Und diese vier Prozent sind derzeit schwer zu erwirtschaften. „Wir können die Daten der Versicherungen nicht genau einsehen“, sagt VKI-Experte Hager. Aber er geht davon aus, dass die Unternehmen zuletzt Rückstellungen zum Teil aufgelöst beziehungsweise weniger Rückstellungen vorgenommen haben. Dadurch schränkt sich der Spielraum für die Branche weiter ein.


Österreichs Versicherungen beruhigen
In Deutschland macht sich der dortige Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) deswegen zunehmend Sorgen. „Das niedrige Zinsniveau wird nicht heute oder morgen, aber irgendwann zum Problem“, sagte vor Kurzem GDV-Präsident Rolf-Peter Hoenen. Noch könnten die Assekuranzen das niedrige Niveau eine Zeit lang abfedern, da ihr Geschäftsmodell langfristig ausgerichtet sei. Hoenen appellierte jedoch an die Zentralbanken, die Zinsen nicht künstlich niedrig zu halten: „Das darf nicht Dauerzustand sein. Wir müssen den Zustand beenden, bevor sich Staaten und Banken an den Zustand billigen Geldes gewöhnen.“

In einer Studie der Ratingagentur Standard & Poor's heißt es: „Die niedrigen Zinsen erodieren den finanziellen Spielraum der Lebensversicherer, weil der Abstand zwischen erwirtschafteter Rendite und den Garantien für die Versicherer immer kleiner wird.“ Wollen die Assekuranzen überleben, müssen sie mindestens 3,4 Prozent Rendite pro Jahr erwirtschaften.

Mathias Frisch, Lebensversicherungsexperte bei der Wiener Städtischen, sieht die Situation nicht ganz so dramatisch: „Wir halten ein niedriges Zinsniveau sicher noch einige Jahre aus. Um uns braucht man sich keine Sorgen zu machen.“ Trotz Kritik von Verbraucherverbänden werden immer mehr Lebenspolizzen abgeschlossen. „Denn schließlich sind wir in der Lage, eine lebenslange Zusatzrente auszuzahlen, egal, ob jemand 80 oder 90 Jahre alt wird.“

Klaus Pekarek, Chef der Raiffeisenversicherung, warnt jedoch, dass Lebensversicherungen wegen der strengeren Eigenkapitalvorschriften – im Fachjargon „SolvencyII“ genannt – teurer werden. Wegen ihrer Garantien müssen die Assekuranzen künftig mehr Eigenkapital vorhalten. Wie stark sich dadurch die Polizzen verteuern, werde man laut Pekarek erst 2011 wissen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.