Hermann Nitsch in Hinterzarten.
Nachruf

Hermann Nitsch ist tot: Der Jahrhundertkünstler

Der bedeutendste österreichische Künstler seit Wien um 1900 ist in der Nacht auf Montag gestorben: Hermann Nitsch, Aktionist und Gesamtkünstler.

Als wollte er dieses Wunder einmal noch an sich vorüberziehen lassen, zumindest vor dem inneren Auge: Das Leiden und die Auferstehung, das ewige, archaisch-christliche Spektakel, das Hermann Nitsch wieder und wieder in seinem Orgien Mysterien Theater (O. M.) inszeniert, verfeinert, auf die Spitze getrieben hat. In der Nacht von Ostersonntag auf Ostermontag erlosch auch dieses innere Auge. Hermann Nitsch, seit Monaten durch anfangs nur eine Kleinigkeit geschwächt im Mistelbacher Spital, ist im Alter von 83 Jahren gestorben.

Fast scheint es, als hätte ihn der späte Höhepunkt, eine Art Vollendung seines Werks derart ausgelaugt: Die Vereinigung mit seinem Vorgänger Richard Wagner in Bayreuth vorigen Sommer, wo Nitsch die „Walküre“ in Farbströmen und Farbakkorden derart intensivierte, wie man sich das gar nicht vorstellen hätte können. Die grandiose Fusion zweier Gesamtkünstler, Prinzendorf grüßte Bayreuth, mit Respekt, auf Augenhöhe. Nitschs Erschöpfung aber war ersichtlich. Das nach 1998 zweite Sechs-Tage-Spiel, auf das er zuletzt so viele Jahre hingearbeitet, hingespart hatte, musste um ein Jahr verschoben werden, einmal wollte er es noch sehen, die Essenz seines Lebens, das O. M. Theater in seiner ganzen synästhetischen Pracht, in all seiner intellektuellen, mythologischen, dialektischen Verdichtung, seinem Urexzess, seinem Leid, seiner Erlösung, seinem Duft und Gestank, seinem Ekel und seinem Genuss, seinem Strahlen und seinem Dunkel, seinem Lärm und seinen Orgel-Harmonien.

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