Gewalt in der Familie sei prägender als gedacht, so Experten. Die Betroffenen erdulden aus Angst und Scham die Übergriffe. Gewalt ist nicht Ausdruck von gewissen Schichten.
Das Wiener Rathaus zeigt Flagge gegen Gewalt an Frauen: Die zuständige Stadträtin Sandra Frauenberger (S) und Wiens Polizeipräsident Gerhard Pürstl haben am Mittwochvormittag eine entsprechende Fahne gehisst. Darauf ist auf blauem Hintergrund eine stilisierte weibliche Figur zu sehen, die von den Schriftzügen "frei leben" und "ohne gewalt" flankiert wird. Anlass dafür ist die internationale Kampagne "16 Tage gegen Gewalt", die sich für die Anerkennung von Frauenrechten stark macht.
Jede fünfte Frau in Österreich ist Gewaltopfer. "Gewalt ist nicht Ausdruck von gewissen Schichten. Sie nimmt keine Rücksicht auf Bildungsgrad oder finanziellen Hintergrund", sagte Wilfried Ilias, Vorstand der Abteilung für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie bei den Barmherzigen Brüdern.
Erduldung als "einfacherer" Ausweg
Gewalt in der Familie sei immer noch ein Tabuthema. Frauen und Kinder werden meist in der gewohnten Umgebung geschlagen. Betroffene haben häufig Angst vor den Konsequenzen, wenn sie das Schweigen brechen, und sehen in der Erduldung der Taten den "einfacheren" Ausweg, sagte Ilias. Sie würden die Täter oft aus Scham und Angst sogar noch schützen. Aber erst wenn das Schweigen gebrochen wird, sind Wege aus der Gewaltspirale möglich.
Gewalt in der Familie, am Spielplatz oder am Arbeitsplatz sei prägender, als wir dachten, betonte ilias. "Wir sind im Krankenhaus darauf aufmerksam geworden, dass viele Menschen mit psychischen Problemen an chronischen Schmerzen leiden." Zwischen 35 und 50 Prozent der chronischen Schmerzpatienten waren in ihrer Vergangenheit Opfer von Missbrauch, Misshandlungen oder emotionaler Gewalt.
"Ich bringe dich um, wenn du mich verlässt!", "Dich finde ich überall!" - hinter den Androhungen von gewalttätigen Männern steckt ein "kleines gekränktes Selbst, das nach Zuwendung und Nähe schreit", sagte Reinhard Pichler, Leiter des Wiener Krankenhauses der Barmherzigen Brüder.
Gewaltaufklärung in Schulen
Wichtige Zielgruppe in der Gewaltaufklärung sind Schüler. Familiäre Gewalt "muss Thema sein in Schulen", sagte die Präsidentin des Wiener Stadtschulrates, Susanne Brandsteidl. "Es gibt Möglichkeiten der Aufarbeitung, damit Kinder später als Erwachsene Gewalt nicht in die eigene Familie weiter tragen", sagte sie.
Die Ausstellung "Hinter der Fassade" ist vom 25. November bis 10. Dezember wochentags von 9.00 bis 16.00 Uhr geöffnet. Ort: Krankenhaus/Konvent der Barmherzigen Brüder, Gabriel Ferrara-Saal, Zugang Taborstraße 16, 1020 Wien)
(APA)