Der Vorarlberger Inseratenskandal heizt die Diskussion um den Umgang mit öffentlichen Geldern in Parteimedien auf. Die Intention des Medientransparenzgesetzes wird durch die gängige Praxis ad absurdum geführt.
Wien. Wenn sich die Politik selbst Spielregeln zu Geld gibt, sind die meist großzügig und kaum mit Sanktionen bestückt. Momentan wird eine Reform zu Parteifinanzen verhandelt – eine Konsequenz aus den Vereinskonstruktionen, die durch den Ibiza-Skandal in den Fokus gerückt sind. Konsequenzen aus dem Vorarlberger Inseratenskandal finden sich im Entwurf aber nicht. Ein Blick auf die gängige Praxis zu Geldflüssen zwischen Parteimedien und öffentlichen Geldern würde das aber dringend erfordern.
Die Vorgänge rund um den Wirtschaftsbund Vorarlberg haben finanzrechtliche, und vielleicht auch strafrechtliche Relevanz: Der Wirtschaftsbund (eine Teilorganisation der ÖVP) soll Unternehmen aber auch Unternehmungen der öffentlichen Hand für ihre Zeitung „Vorarlberger Wirtschaft“ Inserate abgenötigt haben. Die Erlöse sollen dann wieder an die Partei geflossen sein. Zwei Mal unversteuert. Die ÖVP rechnet mit einer saftigen Nachzahlung. Erst nach dem Bericht der Finanz wird die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob die Vorgänge auch von strafrechtlicher Relevanz ist. Mögliche Delikte wären Betrug, Untreue und Geldwäsche.
„Aber das machen doch alle so“, hört man dieser Tage oft aus der ÖVP. Das stimmt nur halb – Steuerhinterziehung kann bisher nur in Vorarlberg geortet werden. Dass aber viel Geld über Parteimedien umverteilt wird, ist wahr. Ein Blick in die Rechenschaftsberichte der Parteien zeigt, dass vor allem SPÖ und ÖVP auffallend viele Verlage besitzen.
In anderen Fällen sind es parteinahe Vereine, die diese Druckwerke erzeugen. Beispiele: In Niederösterreich etwa stellt ein Verein die Niederösterreich-Zeitung her, die ÖVP liefert die Inhalte. Im Burgenland sorgte zuletzt die Zeitung „Burgenländische Freiheit“ für Diskussionen: Sie wird von einem Verein herausgegeben, der sich die Adresse mit der SPÖ-Landespartei teilt. Früher war das Blatt die Wochenzeitung der Sozialdemokratie. Zum 100-jährigen Jubiläum wurde Ende letzten Jahres eine Sonderausgabe herausgebracht: Gespickt mit Inseraten von Unternehmungen des Landes – also öffentliche Gelder.
Theorie und Praxis
Niederösterreich und Burgenland seien hier nur exemplarisch angeführt – man findet solche Beispiele auch in allen andern Bundesländern. Es sind Millionen an öffentlichen Geldern, die dort hineinfließen.
Verboten ist das derzeit alles nicht, wirft aber im aktuellen Diskurs wieder Fragen auf: Österreich hat eine der höchsten Parteienförderungen Europas. Sollen Parteiwerbebroschüren trotzdem noch mit so viel öffentlichem Geld gesponsort werden?
Außerdem werden einige Intentionen des Medientransparenzgesetzes ad absurdum geführt. Das sieht etwa vor, dass Inserate der öffentlichen Hand gemeldet werden müssen. Allerdings erst ab einer Grenze von 5000 Euro pro Quartal. Bezeichnenderweise liegen die Kosten für Inserate in diesen Parteimedien fast immer darunter. Außerdem sind nicht-periodische Druckwerke von den verpflichtenden Transparenzmeldungen ausgenommen. Ergo: Wie viel Geld wohin fließt, ist nicht mehr nachvollziehbar. Weiters: Das Medientransparenzgesetz sieht ein sogenanntes „Kopfverbot“ vor. Heißt: Wenn etwa ein für Finanzen zuständiger Landesrat etwas bewerben will, darf er nur über die Tätigkeiten des Ressorts berichten, aber nicht sich selbst als Person bewerben. Gängige Praxis in Parteimedien: Auf der einen Seite wird das Inserat korrekt abgedruckt. Auf der gegenüberliegenden Seite wird dann aber ein Jubelartikel mit Foto des dafür verantwortlichen Politikers publiziert.
Die Gegenargumentation der Parteien: Diese Medien können eine große Reichweite und somit eine wertvolle Werbefläche darstellen.
Vorarlberger Unstimmigkeiten
In Vorarlberg reißt die Diskussion um Parteigelder tiefe Gräben in die ÖVP, die offensichtlich auch schon länger bestehen. Der „Presse“ liegt ein vier Jahre alter Brief eines „ehemaligen Mitarbeiters der ÖVP“ vor, der an den Landeshauptmann Markus Wallner gerichtet wurde. Darin wird die „Schreckensherrschaft“ der Geschäftsstelle beklagt. Da ist etwa von fingierten Betriebsratswahlen die Rede. Und von Falschabrechnungen des damaligen Landesgeschäftsführers Dietmar Wetz. Ihm wird vorgeworfen, dass er etwa Kilometergeld falsch abgerechnet haben soll. Beigelegt sind dem Schreiben etwa eine Anwesenheitsliste einer Bezirksparteisitzung, an der Wetz laut eigener Abrechnung teilgenommen haben will. Auf der Anwesenheitsliste findet sich sein Name aber nicht.
Die ÖVP-Vorarlberg gibt auf „Presse“-Nachfrage an, dass die Vorwürfe bekannt seien. Man habe damals eine umfassende interne Prüfung eingeleitet, die allerdings gezeigt habe, dass an den Vorwürfen nichts dran sei. Und dass es immer wieder einmal unzufriedene Mitarbeiter gebe, die gewisse Karriereziele vielleicht nicht erreicht hätte. Der Brief wird als substanzlos bezeichnet.
So wird auch die anonyme eidesstaatliche Erklärung gewertet, die im aktuellen Inseratenskandal von einem angeblichen Unternehmer abgegeben wurde. Sie belastet Wallner, er soll an der Inseratenkeilerei persönlich beteiligt gewesen sein, und dafür politische Gefallen in Aussicht gestellt haben. Die Opposition forderte daraufhin Wallners Rücktritt, er bestreitet das. ÖVP-Chef Karl Nehammer stellte sich am Mittwoch in einem Interview hinter Wallner und sprach ihm das Vertrauen aus.