Junge Forschung

Eintauchen in alte religiöse Welten

Die Philologin Maria-Lucia Goian? widmet sich in ihrem aktuellen Projekt theologischen Psalmenkommentaren aus 27 Handschriften.
Die Philologin Maria-Lucia Goian? widmet sich in ihrem aktuellen Projekt theologischen Psalmenkommentaren aus 27 Handschriften.(c) Jana Madzigon
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Die Klassische Philologin Maria-Lucia Goiana brennt für literarische Texte aus Byzanz und der Antike. An der Universität Wien übersetzt und editiert sie theologische Handschriften.

Angefangen hat es mit den alten Römern. Schon in der Schule hatten es ihr die Texte von Cicero, Vergil und Horaz angetan, sagt die Klassische Philologin Maria-Lucia Goiana: „Diese riesige und starke Welt der Literatur hat mich angezogen.“ Im Studium in Bukarest (Rumänien) lernte sie neben Latein auch Altgriechisch kennen – und lieben. „Mich fasziniert die reiche Sprache mit ihren Komplexitäten und Möglichkeiten.“ So landete die Wissenschaftlerin schließlich auch bei der Byzantinistik und der Erforschung der Nachfolgekultur des Römischen Reiches im christlichen griechischen Raum. „Während die klassische Antike schon sehr gut erforscht ist, gibt es in Byzantinistik nach wie vor viele Texte zu entdecken.“

Weil sich Wien als wichtiges Forschungszentrum für das Feld etabliert hat, war es für Goiana 2015 ein logischer Schritt, für ihr Doktorat über das Werk des byzantinischen Abtes Theodoros Studites hierherzukommen. „Die internationale Community gefiel mir gleich gut“, meint sie. Zugleich erinnert sie sich gern an die Jahre der Ausbildung in Bukarest zurück. Auch ihr Klavier, das in Bukarest geblieben ist, vermisst die Philologin, die aus einer musikalischen Familie stammt, in Wien. Besuche im Konzerthaus, im Musikverein und in der Staatsoper würden das zumindest ein bisschen wettmachen.

Handschriften im Vatikan und im Sinai

In Österreich angekommen, stürzte sie sich sogleich in die Archivarbeit. Texte, Briefe, Predigten, theologische Traktate, Gedichte, Hymnen – die Hinterlassenschaft von Theodoros Studites (759–826), der in einem der wichtigsten Kloster in Konstantinopel tätig war, ist eine umfangreiche. Für ihre Dissertation konzentrierte sich Goianaauf die Dichtung und die Hymnen des Abtes. „Mich interessierte, wie er mit literarischen Mitteln Tugenden, die überall in seinem Werk auftauchen, vermittelt hat. Er ermunterte die Mönche zum Beispiel zu asketischen Werten und zu einem Gefühl von Gemeinschaft.“ Auf Basis seiner Handschriften edierte sie drei wenig bekannte und teilweise unveröffentlichte Texte von Theodoros Studites. Die Handschriften fand sie nicht nur in Sammlungen in der österreichischen Nationalbibliothek, sondern auch in der Bibliotheca Apostolica Vaticana, der Bibliothek des Heiligen Stuhls in Vatikanstadt, sowie im Katharinenkloster im Sinai in Ägypten. Parallel dazu arbeitete Goiana bei dem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt „Byzantine Prayer Books as Sources for Social History“ der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Leitung: Claudia Rapp) mit.

Vor Kurzem wurde die 30-Jährige nun sub auspiciis an der Uni Wien promoviert. Aktuell forscht sie am Institut für Kirchengeschichte, Christliche Archäologie und Kirchliche Kunst der Universität Wien und steuert ihre Erfahrung und Expertise mit griechischen Texten bei dem ebenfalls vom FWF subventionierten Projekt „Digitale kritische Edition von den Expositiones in Psalmos des (Pseudo-)Athanasius von Alexandrien“ (Projektleiterin: Uta Heil) bei. Im Zentrum stehen spätantike Psalmenkommentare, die dem berühmten Theologen Athanasius von Alexandria (ca. 300–373) zugeschrieben werden. „Wir wollen eine digitale Edition des Textes erstellen, um seine Überlieferung besser wiedergeben zu können.“ Bei biblischen Psalmen handelt es sich um poetische Texte, die für die Spiritualität und Liturgie in der Geschichte des Christentums bedeutend sind. Das Herausfordernde an den Athanasius-Psalmenkommentaren ist, dass sie nicht in direkter Überlieferung erhalten geblieben sind, sondern erst rekonstruiert werden müssen. Das gehe mithilfe sogenannter Psalmenkatenen, erklärt Goiana. Dabei handelt es sich um gesammelte Auszüge aus Kommentaren verschiedener Autoren.

Der Leidenschaft der Forscherin für das Lateinische hat der Griechisch- und Byzantinistik-Fokus übrigens nichts anhaben können. Sie frönt ihr mitunter auf ungewöhnliche Art und Weise: etwa bei einer Lehrveranstaltung, in der die tote Sprache zum Leben erweckt wurde. „Das war eine lustige Erfahrung, weil wir Begriffe für moderne Gegenstände erfinden mussten, um uns unterhalten zu können. Da hieß es kreativ werden.“

ZUR PERSON

Maria-Lucia Goiana (30) studierte in Bukarest Klassische Philologie. 2015 kam sie ans Institut für Byzantinistik und Neogräzistik der Uni Wien, wo sie ihre Dissertation über die Hymnen des Abtes Theodoros Studites verfasste. Im März 2022 wurde sie sub auspiciis promoviert. Derzeit forscht Goianaam Institut für Kirchengeschichte, Christliche Archäologie und Kirchliche Kunst der Uni Wien.

Alle Beiträge unter: www.diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2022)

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