The Gilded Age
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Serien: Snobs von früher und Lügner von heute

„The Gilded Age“ vom „Downton Abbey“-Autor führt in jene Epoche, die Amerika zur Weltmacht werden ließ. Doch es fehlt an Tiefe. Im Gegensatz dazu wird in „Better Call Saul“ ordentlich Spannung erzeugt. Und in „The Dropout“ fasziniert Amanda Seyfried als Fake-Erfinderin Elizabeth Holmes.

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The Gilded Age

Snobs in New York
Zu sehen auf Sky

Es ist 1882, und die arme Marian Brook (Meryl Streeps Tochter Louisa Jacobson) ist nach dem Tod ihres Vaters mittellos – und muss zu ihren Tanten nach New York ziehen. Dort, an der Upper East Side, herrscht ein Kampf um die Zugehörigkeit zur High Society zwischen dem „Alten Geld“ (namentlich genannt werden die Familien Astor und Vanderbilt) und den Neureichen. Marian selbst hat dazu wenig Meinung, ihre Tante, eine unablässig wertende und zitable Einzeiler von sich gebende Witwe (Christine Baranski), dafür umso mehr: Sie ist der Zerberus, der den neuen Nachbarn (Carrie Coon und Taissa Farmiga) den Aufstieg in feine Gesellschaft verwehren will. Ihre Schwester, eine alte Jungfer, wird von „Sex and the City“-Star Cynthia Nixon verkörpert, und die Dialoge zwischen den beiden gehören zum Vergnüglichsten der aufwendig produzierten HBO-Serie. Man kennt sie ähnlich aus „Downton Abbey“, das ebenfalls von Drehbuchautor Julian Fellowes geschrieben wurde.

Doch das, womit „Downton“ vor allem anfangs Erfolg hatte, fehlt der neuen Serie: Hatte man damals den Eindruck, einen tiefen Einblick in eine abgeschiedene Welt – den britischen Hochadel – zu bekommen, fühlt sich „The Gilded Age“ trotz all der detailgetreuen Kulissen und prächtigen Gewänder seltsam oberflächlich an.

Zwar werfen beide Serien einen Blick in die Dienstbotentrakte der Herrenhäuser, doch die Konflikte unter und mit dem Personal bleiben eindimensional. Ein Problem, das in „Downton“ mit zunehmender Fortdauer der Serie stärker hervortrat (am 20. Mai kommt der zweite Kinofilm „Eine neue Ära“). In „The Gilded Age“ zeigt es sich in der Figur der angehenden Schriftstellerin Peggy Scott (Denée Benton): Die Afroamerikanerin freundet sich mit Marian an und wird schnell von ihrer Tante als Sekretärin angestellt. Rassismus? Das Thema bleibt unterbeleuchtet.

Dass die Konzentration auf Snobs nicht unbedingt von Nachteil sein muss, zeigt die immens erfolgreiche Netflix-Serie „Bridgerton“ vor. Einiges hätte in der Zeit, in der sie spielt, gar nicht so passieren können (allein die Musik!), aber die Heiratsmarkt-Seifenoper versucht nicht, Authentizität herzustellen, sondern stellt ihre Künstlichkeit zur Schau. Wenn man das akzeptiert, ist „Bridgerton“ ein herrliches Vergnügen. Das macht die Serie zeitgeistig – ebenso wie die diverse Besetzung. Wie es zur Zeit von Jane Austen tatsächlich zugegangen sein mag auf dem Heiratsmarkt, haben schon genug BBC-Mehrteiler gezeigt . . .

Im Gegensatz zu „Bridgerton“ will „The Gilded Age“ etwas über seine Zeit aussagen. Amerika habe in dieser Epoche aufgehört, eine europäische Nation zu sein, und sei zu einer selbstbewussten Nation geworden, sagt Fellowes. „Das war der Moment, in dem Amerika seine Geschicke wirklich in die eigene Hand genommen hat.“ Schade, dass er so wenig spürbar ist.

The Dropout

Faszinierende Fake-Erfinderin
Zu sehen auf Disney+

„Fake it till you make it“: Für Elizabeth Holmes war dies das Mantra ihres Schaffens – mit dem Problem, dass sie ihre vorgetäuschten Erfolge nie in tatsächliche überführen konnte. Amanda Seyfried schlüpft nun in die Rolle dieser schlauen, ungeduldigen Start-up-Gründerin (und – daher der Titel – Studienabbrecherin), die mit ihrem Unternehmen Theranos Bluttests revolutionieren wollte und fleißig Investorengeld einsammelte, deren schicke Geräte aber nie funktionierten. Ohne sie zu verurteilen, wird hier das Bild einer Frau gezeichnet, die als Kind schon ihr Steve-Jobs-Poster küsste, selbstbewusst als Berufswunsch „Milliardärin“ angab und sich, angetrieben von ihrem Erfolgsbedürfnis, in immer mehr Lügen verstrickte.

Selbst ihre tiefe Stimme war nur antrainiert: Faszinierend, wie Seyfried hier Folge für Folge neue Facetten dieser Frau aufklappt, die sich die Person, die sie sein will, zielstrebig zusammenbaut. Selbstbetrug als Maxime ihres Seins: Das hat in ihrem Fall erstaunlich lang funktioniert.

Solche Geschichten, die sich mit dem Scheitern überambitionierter Start-up-Helden auseinandersetzen, sind gerade beliebt bei Serienmachern: Auf Apple TV+ läuft das herrlich narzisstische Verblendungsmärchen „We Crashed“ (mit Jared Leto und Anne Hathaway), auf „Super Pumped“ mit Joseph Gordon-Levitt als Uber-Gründer müssen wir hierzulande noch warten. (kanu)

Better Call Saul

Rückkehr des zwielichtigen Anwalts
Zu sehen auf Netflix

Ein Blick vom Boden des Pools auf eine schwimmende Pappfigur. Krawatten, die in Zeitlupe in eine Kiste fallen. Eine Schere groß im Bild. Die Farben (New) Mexikos, tiefes Blau und sandiges Braun. Es ist auch diese einzigartige Bildsprache, die „Better Call Saul“ von anderen Serien abhebt – und die Alltägliches bedrohlich erscheinen lässt. In den 13 Folgen der sechsten und letzten Staffel muss das Prequel zur Handlung von „Breaking Bad“ aufschließen. Folgen eins und zwei sind bereits abrufbar (der Rest folgt im Wochentakt) und zeigen erneut: In der Qualität sind die beiden Serien einander ebenso ebenbürtig wie in der Spannung. War in „Breaking Bad“ Walter White der Trickreichste, ist es hier die Anwältin und Ehefrau der Titelfigur, Kim Wexler (Rhea Seehorn). Eine großartige Serie.

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