Forschungsfinanzierung

Länder greifen FH-Forschern unter die Arme

Die computerunterstützte Ganganalyse ist ein wichtiger Bestandteil der Digital-Health-Projekte an der FH St. Pölten.
Die computerunterstützte Ganganalyse ist ein wichtiger Bestandteil der Digital-Health-Projekte an der FH St. Pölten. (c) Martin Lifka
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Nicht nur der Bund fördert Forschungsaktivitäten an Fachhochschulen, sondern auch die Bundesländer. Niederösterreich etwa nimmt dafür knapp fünf Millionen Euro in die Hand. Beispiele von Tirol bis Wien.

Die Fachhochschulen sind nicht zuletzt wohl wegen ihrer belebenden Wirkung auf die lokale Innovationslandschaft von den jeweiligen Ländern geschätzt – und werden entsprechend gefördert. Erst vergangene Woche hat das Land Niederösterreich bekannt gegeben, dass es 4,8Mio. Euro für Stiftungsprofessuren oder Kompetenzteams an den drei FH in Krems, Sankt Pölten und Wiener Neustadt investieren wird. Die Förderungen mit Laufzeiten von maximal fünf oder sechs Jahren kommen bereits laufenden Projekten zugute. Im Herbst 2021 startete an der FH St. Pölten das Kompetenzteam Digital Health & Social Innovation und an der FH Wiener Neustadt das Kompetenzteam Medizintechnik – Angewandte molekulare Bildgebung in der personalisierten Präzisionsstrahlentherapie. An der IMC FH Krems wurde mit den Mitteln des Landes eine Stiftungsprofessur eingerichtet und ein Massenspektrometer erworben. Mit diesem sollen vor allem Immunreaktionen gegen Biotherapeutika und Impfstoffe erforscht werden. „Durch die Massenspektrometrie soll die technologische Expertise in diesem Forschungsbereich massiv ausgebaut und in den Schwerpunkten Impfstoffe und Biomarker erweitert werden“, sagt Franz Herzog, Inhaber der Stiftungsprofessur.

Am auch als FH organisierten MCI in Innsbruck werden gleich sieben Projekte aus den Mitteln des Tiroler Wissenschaftsfonds (TWF) gefördert. Auswahlkriterien waren neben der wissenschaftlichen Qualität auch Standortrelevanz, Praxisnähe und Nachhaltigkeit. Eines dieser Projekte ist „Ethische Entscheidungen in Zeiten der Unsicherheit: Heuristiken von ÄrztInnen während der Coronapandemie“. „Im Kern unseres Projekts liegt die wissenschaftliche Diskussion zur Rolle von Heuristiken bei der Entscheidungsfindung. Die Frage, die wir uns gestellt haben, ist, wie die Ärzte zur Zeit der Coronapandemie ihre Entscheidungen treffen“, erklärt Projektleiter Yevgen Bogodistov. Unter Heuristik versteht man die Kunst, mit begrenztem Wissen rasch zu wahrscheinlichen Aussagen oder praktikablen Lösungen zu kommen.

Kooperation mit Ukraine

Der ethische Aspekt steckt in der Frage „Wenn die Komplexität und Unsicherheit wachsen, wäre es besser, auf die analytischen Vorgänge zu verzichten beziehungsweise diese beschränkt anzuwenden?“. Kooperationspartner sind Hausärzte aus Bogodistovs Heimatstadt, Krywyj Rih in der Ukraine; mehr als 80 Prozent der Mediziner dort nehmen an dem Forschungsprojekt teil. „Leider kann das Land Tirol eine derartige Erhebung mit heimischen Ärzten nicht durchführen. Deshalb ist es an den Erkenntnissen, die durchaus mit der heimischen Ärzteschaft vergleichbar sein werden, sehr interessiert“, erläutert Bogodistov. Die Daten wurden auf dem Höhepunkt der beiden Coronawellen gesammelt, sind aber noch nicht verarbeitet: „Die Ärzte sind unter Druck wegen Bombardements, Corona, verwundeten Soldaten und Zivilisten. Aber wir arbeiten daran und hoffen, dass wir bald analysieren können, wie die Entscheidungsfindung in der Zeit der höchsten Komplexität und Unsicherheit funktioniert hat.“

An der FH Kärnten arbeitet man an einem Projekt, das auf Initiative der Landesabteilung, Abt. 13 – Gesellschaft und Integration, entstanden ist. Gabriele Hagendorfer-Jauk leitet das Projekt „APLAUS Aktionsplan aktiv und selbstbestimmt 65+“, das förderliche und hinderliche Rahmenbedingungen für Freiwilligenarbeit der Zielgruppe 50 plus in Kärnten erforscht. Gleichzeitig soll eine Diskussion über Herausforderungen und vor allem Chancen einer zunehmend älter werdenden Gesellschaft initiiert werden. „Wir wollen auch verbandlich organisierte Strukturen und Rahmenbedingungen auf ihre aktuellen Angebote und Leistungen hin untersuchen, um eine Gegenüberstellung zwischen den aktuellen Bedürfnissen der älteren und älter werdenden Zielgruppe und dem Status quo in Verbänden zu ermöglichen“, so Hagendorfer-Jauk. Außerdem sollen Bürger motiviert werden, sich zum Thema „Aktives und selbstbestimmtes Leben“ einzubringen.

Leistbares Wohnen in Wien

An der FH des BFI leitet Elisabeth Springler ein von der Stadt Wien gefördertes, dreijähriges Forschungsprojekt. Es beschäftigt sich mit leistbarem Wohnen als Voraussetzung für smartes und nachhaltiges Wirtschaften in Wien. Nachdem die Ausgaben für Wohnen einen hohen Anteil an den Haushaltsausgaben darstelle, seien die stark steigenden Preise auch vor dem Hintergrund sozialer Ungleichheiten brisant. „Genau diese Schnittstelle ist es, die unser Projekt für die Stadt Wien attraktiv macht. Wir erforschen die Entwicklungen auf dem Wiener Wohnungsmarkt vor einem interdisziplinären Hintergrund und geben eine wirtschaftspolitische Handreichung zur Steigerung der Leistbarkeit bei einer nachhaltigen Bodenpolitik.“ Bis 2025 werden Springler und ihr Team anhand von Vergleichsstädten wie München und Barcelona zeigen, welche unterschiedlichen Szenarien es gibt, um diese Leistbarkeit zu steigern. „Daraus werden dann wirtschaftspolitische Maßnahmen für die Stadt Wien abgeleitet“, sagt Springler.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2022)

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