Großbritannien

Johnson sucht in Indien Atempause: Wut bei den Tories steigt

Rosenblüten für das Denkmal Gandhis. Premier Johnson auf Besuch in Indien.
Rosenblüten für das Denkmal Gandhis. Premier Johnson auf Besuch in Indien. (c) APA/AFP/POOL/STEFAN ROUSSEAU (STEFAN ROUSSEAU)
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Die Affäre um illegale Partys während des Corona-Lockdowns stürzt den Premier immer tiefer in Probleme. Auch in der eigenen Partei wächst die Kritik.

London. Endlich konnte Boris Johnson über etwas anderes reden als illegale Partys und das drohende Ende seiner politischen Karriere. Der britische Premierminister weilte auf einem Kurzbesuch in Indien. Und als er am Freitagmittag in Neu Delhi vor die Medien trat, sprach er begeistert über die neue Sicherheitspartnerschaft mit Indien und über eine intensivere Zusammenarbeit im Sektor erneuerbarer Energie. „Allein auf diesem Trip haben wir Geschäfte abgeschlossen, die eine Milliarde Pfund wert sind“, sagte Johnson.

Die Reise nach Indien ist eine willkommene Abwechslung für den Premier, denn zu Hause bereitet ihm die Party-Affäre Kopfschmerzen. Seit ihm die Polizei eine Buße wegen Teilnahme an illegalen Zusammenkünften während des Corona-Lockdowns aufgebrummt hat, ist er in der Defensive. Am Mittwoch bat er das Unterhaus und die Öffentlichkeit um Entschuldigung; dennoch nahm ihn die Opposition in die Zange.

Privilegien-Ausschuss ermittelt

Am Donnerstag, als Johnson bereits auf dem Weg nach Indien war, kam der nächste Rückschlag: Das Unterhaus beschloss, Johnsons Fall an ein Unterhaus-Gremium zu verweisen, den Privilegien-Ausschuss. Es ist bereits die dritte Untersuchung zu den Vorgängen im Regierungssitz: Neben den Ermittlungen der Polizei geht auch die Staatsbeamtin Sue Gray der Frage nach, welche unerlaubten Partys während des Lockdowns gefeiert wurden.

Der Privilegien-Ausschuss hat die Aufgabe, den Abgeordneten auf die Finger zu schauen, also zu prüfen, ob sie sich regelkonform verhalten. Die sieben Mitglieder des Ausschusses sollen jetzt die Frage beantworten, ob Johnson den Ministerialkodex verletzt hat. Es geht darum, ob der Premier das Unterhaus angelogen hat, als er versichert hat, es habe keine illegalen Treffen in seinem Amtssitz gegeben. Johnson redet sich damit heraus, er habe das Parlament nicht wissentlich in die Irre geführt.

Dem Parlamentsbeschluss ist am Donnerstag eine bemerkenswerte Kehrtwende der Regierung vorangegangen – sie zeigt, wie schwach Johnsons Position geworden ist. Nachdem Labour den Antrag für einen Verweis an den Privilegien-Ausschuss eingebracht hatte, versuchte die Regierung, das Vorhaben zu durchkreuzen: Sie schlug eine Änderung vor, gemäß der das Unterhausgremium erst nach Abschluss von Grays Untersuchung aktiv werden sollte. Das hätte die Angelegenheit auf die lange Bank geschoben – die konservative Tory-Fraktion hätte dafürstimmen können, ohne ihren Chef Johnson in Bedrängnis zu bringen.

„Das Spiel ist aus“

Aber die Regierung hat offensichtlich unterschätzt, wie sehr die Wut in den eigenen Reihen wächst: Mehrere Tories ließen durchblicken, dass sie keinesfalls für diese Änderung stimmen würden, es gab laut Presseberichten sogar Drohungen, dass Minister zurücktreten könnten. Die Regierung bekam offensichtlich kalte Füße, zog den Änderungsvorschlag zurück, und der Antrag von Labour kam durch.

Am Donnerstag schloss sich der einflussreiche Abgeordnete Steve Baker, ein Brexit-Fan und Vertreter des rechtskonservativen Flügels, den Rücktrittsforderungen an: „Der Premier hätte schon längst gehen sollen. Er sollte wissen, dass das Spiel aus ist.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2022)

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