Frankreich

Emmanuel Macron gewinnt Präsidenten-Stichwahl in Frankreich

Macrons Anhänger feierten auf dem Marsfeld vor dem Eiffelturm.
Macrons Anhänger feierten auf dem Marsfeld vor dem Eiffelturm.APA/AFP/LUDOVIC MARIN
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Emmanuel Macron bleibt Frankreichs Präsident. Er bleibt laut ersten Prognosen in der Stichwahl deutlich vor seiner Gegnerin, der rechtsnationale Marine Le Pen, die bereits zur nächsten „Schlacht“ ruft - der Parlamentswahl in wenigen Wochen.

Als „Wahl zwischen Pest und Cholera“ hatten viele Franzosen die Stichwahl zwischen Emmanuel Macron und Marine Le Pen bezeichnet. Die Musikerin Violette Prévost ging gar mit einer Wäscheklammer auf der Nase wählen, wie die Zeitung "Ouest France" am Sonntag berichtete. Mit teilweise Widerwillen hat sich offenbar doch eine deutliche Mehrheit der französischen Wähler für fünf weitere Jahre mit Macron als Präsident im Élyséepalast in Paris entschieden. Ersten Nachwahlbefragungen zufolge, die um 20 Uhr veröffentlicht wurden, erreicht Macron rund 58 Prozent der Stimmen, seine Gegnerin Le Pen kommt demnach auf rund 42 Prozent.

Marine Le Pen gestand die Niederlage in einem ersten Statement ein. Sie sprach aber auch von einem „eklatanten Sieg“, den man mit dem Ergebnis von rund 42 Prozent errungen habe. "Wir sind entschiedener denn je, die Franzosen zu verteidigen", betonte Le Pen. "Dieses Ergebnis ist ein Zeugnis für das große Misstrauen des französischen Volkes ihnen gegenüber", sagte sie mit Blick auf die Regierenden in Frankreich und der Europäischen Union. "Tausend Mal wurden wir schon beerdigt", meinte Le Pen zu ihrer Partei.

Ihr Dank galt besonders den Wählern in den Überseegebieten und in den ländlichen Gebieten, in denen Le Pen vielerorts Macron besiegen konnte. Sie warf Macron vor, das Volk gespalten zu haben und befürchtet fünf weitere „verächtliche Jahre“. Sie wolle mit der gleichen Durchsetzungskraft und Ausdauer wie bisher weiter machen und positioniert sich damit auch als künftige Gegenspielerin Macrons - auch mit Blick auf die Parlamentswahl in wenigen Wochen, bei denen der Partei des nun wiedergewählten Präsidenten ein herber Stimmenverlust prognostiziert wird. Der Kampf um die Wähler für die Parlamentswahl beginne mit heute Abend, sagte Le Pen bei ihrer ersten Rede nach der Wahl, bevor sie die französische Nationalhymne anstimmte.

Der rechtsextreme Ex-Präsidentschaftskandidat Eric Zemmour hat angesichts der Wiederwahl von Präsident Emmanuel Macron zu einer Koalition der Nationalisten aufgerufen. "Wir müssen die Streitereien vergessen und uns zusammenschließen", sagte er am Sonntagabend in Paris. Dabei sehe er die führende Rolle allerdings bei seiner eigenen Partei „Reconquête!“. "Es ist das achte Mal, dass der Name Le Pen sich mit einer Niederlage verbindet", sagte Zemmour mit Blick auf die zahlreichen Präsidentschaftskandidaturen von Marine Le Pen und ihres Vaters Jean-Marie Le Pen.

Niedrigere Wahlbeteiligung

Der 44-jährige Macron und seine Frau Brigitte gingen in Le Touquet am Ärmelkanal zur Wahl, wo sie ein Ferienhaus besitzen. Die 53-jährige Le Pen gab in ihrer nordfranzösischen Hochburg Henin-Beaumont ihre Stimme ab. Beide Kandidaten suchten dabei noch einmal das Gespräch mit Anhängern und Wählern.

Die Wahlbeteiligung betrug um 17 Uhr laut Innenministerium 63,23 Prozent und war damit mehr als zwei Prozentpunkte niedriger als vor fünf Jahren (65,30 Prozent) zur selben Uhrzeit. Sie war zudem fast zwei Punkte niedriger als in der ersten Wahlrunde am 10. April.

Die Enthaltung dürfte nach Schätzungen von vier Meinungsforschungsinstituten bei 28 Prozent liegen und damit um 2,5 Prozentpunkte höher als 2017. Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre war mit einer hohen Enthaltung gerechnet worden, zumal derzeit Schulferien sind.

Knapper als vor fünf Jahren

Mit einem Wahlsieg im Bereich von 55 bis 58 Prozent ist Macron jedoch weit von seinem Ergebnis von 2017 entfernt, als beide Kandidaten schon einmal gegeneinander angetreten waren. Damals siegte Macron mit 66,1 Prozent zu 33,9 Prozent und wurde mit 39 Jahren der jüngste Präsident der Fünften Republik.

Macron ist der erste Präsident seit Jacques Chirac im Jahr 2002, der eine zweite Amtszeit antritt. Er wird im Laufe des Sonntagabend am Fuße des Eiffelturms zu seiner Siegesrede erwartet.

Macrons Sieg ist eine Erleichterung für die EU

Frankreich hat bei der Stichwahl am Sonntag jedenfalls eine Antwort gegeben, auf die ganz Europa wartete. Denn es stand auch das Schicksal der EU auf der Kippe. Zum Ausdruck kam die Besorgnis in einem offenen Brief der Regierungschefs aus Deutschland, Spanien und Portugal in „Le Monde“. Die Rechtspopulistin Le Pen hatte – anders als in der Vergangenheit – einen „Frexit“ – ausgeschlossen.

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird nun weiter im Tandem mit Macron an der Spitze Europas agieren können. Macron und seine Regierung benannten Deutschland stets klar als zentralen Partner. Le Pen indes machte keinen Hehl daraus, diese Bande lösen und Bündnisse mit anderen Euroskeptikern vorziehen zu wollen.

Eine schlechte Nachricht dürfte Macrons Wiederwahl für Kremlchef Wladimir Putin sein, hätte er doch mit Le Pen im Élyséepalast Frankreich als Spaltpilz in der europäischen Front gegen sein Land instrumentalisieren können. Mit Macron indes gibt es keinerlei Zweifel am Schulterschluss im Angesicht des Krieges. Und dass Macron den Telefonkontakt zu Putin weiter sucht, könnte für einen Verhandlungsausweg noch einmal von Nutzen sein.

Die umworbenen Wähler des Jean-Luc Mélenchon

Innenpolitisch wurde diese Stichwahl für viele Wähler eine Wahl des kleineren Übels, um das „Schlimmste“ zu verhindern. Le Pen konnte dabei insbesondere auf die explizite Unterstützung des Rechtsnationalisten Éric Zemmour zählen, während die Sozialistin Anne Hidalgo, der Grüne Yannick Jadot sowie der Kommunist Fabien Roussel die Macron-Parole ausgegeben hatten.

Am Ende gaben jedoch wohl die Wähler des Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon, der als Dritter nur ganz knapp ausgeschieden war, den Ausschlag. Viele schmollten untröstlich über die Elimination ihres Idols. Sie waren besonders verärgert über den Plan Macrons zur Anhebung des Pensionsalters auf 65 Jahre.

Mélenchon hat Le Pens Wahlniederlage am Sonntag als eine "gute Nachricht für die Einheit unseres Landes" bezeichnet. Er bekräftigte am Sonntagabend seinen Wunsch, Premierminister zu werden, und rief seine Anhänger zum Wahlkampf für die Parlamentswahl auf. "Eine andere Welt ist noch möglich", sagte er mit Blick auf die Wahlen am 12. und 19. Juni. Amtsinhaber Emmanuel "Macron ist der Präsident mit dem schlechtesten Ergebnis der fünften Republik", sagte Mélenchon. "Er surft auf einem Meer von Nichtwählern und Enthaltungen", betonte er.

Macron dürfte sich bei seinem Prestigeprojekt für die Modernisierung des Landes auf einen noch größeren Widerstand gefasst machen. Eine Schwächung seiner Bewegung La République en Marche, die ziemlich sicher ihre absolute Mehrheit verlieren dürfte, würde auch eine Schwächung des Präsidenten bedeuten. Womöglich müsste sich der Präsident mit einer Kohabitation abfinden, mit einer Koalition mit einem neuen Premier – entweder von links oder von rechts.

Denn die Parteizentralen planen bereits die nächste Runde: die Wahl der Abgeordneten der Nationalversammlung im Juni. Der Amtsinhaber im Élyséepalast möchte lieber mit einer Mehrheit und nicht mit zwei Parlamentskammern konfrontiert sein, die eine Regierungsbildung erschweren und sich danach bei der Gesetzgebung ständig querlegen würden. Vor fünf Jahren hatte Macrons La République en marche zusammen mit der Zentrumspartei „MoDem“ eine absolute Mehrheit bekommen, danach aber alle lokalen und regionalen Zwischenwahlen verloren. Macron hatte erklärt, der derzeitige Premierminister Jean Castex werde zumindest vorerst weiterhin im Amt bleiben – ein Zeichen der Kontinuität.

Reaktionen

EU-Ratspräsident Charles Michel zeigte sich erleichtert über die Wiederwahl Macrons. "Wir können fünf weitere Jahre auf Frankreich zählen", schrieb der Belgier am Sonntagabend auf Twitter. "In diesen stürmischen Zeiten brauchen wir ein starkes Europa und ein Frankreich, das sich voll und ganz für eine souveränere und strategischere Europäische Union einsetzt." Dazu schrieb Michel: "Herzlichen Glückwunsch, lieber Emmanuel Macron."

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gratulierte. "Ich freue mich, unsere gute Zusammenarbeit fortsetzen zu können", schrieb die deutsche Politikerin am Sonntag auf Twitter. "Gemeinsam werden wir Frankreich und Europa voranbringen." Auch EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola gratulierte Macron zu seiner "sehr erfolgreichen Wiederwahl" gratuliert. Eine starke EU brauche ein starkes Frankreich, schrieb Metsola am Sonntag auf Twitter.

Italiens Premier Mario Draghi sprach am Sonntag von einer "wunderbaren Nachricht für ganz Europa". "Italien und Frankreich setzen sich Seite an Seite zusammen mit allen anderen Partnern für den Aufbau einer stärkeren, kompakteren und gerechteren EU ein, die in der Lage ist, der Protagonist in der Bewältigung der großen Herausforderungen unserer Zeit zu sein, angefangen beim Ukraine-Krieg."

Der britische Premierminister Boris Johnson gratulierte Macron mit den Worten: „Ich freue mich darauf, weiterhin gemeinsam an den Themen zu arbeiten, die für unsere beiden Länder und die Welt am wichtigsten sind."

Hocherfreut zeigt sich auch Neos-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger: "Der Sieg von Emmanuel Macron ist ein Sieg für die Freiheit und für Europa. Er hat sich in seiner ersten Amtszeit als großer Europäer bewiesen, als Verfechter unserer liberalen Werte und eines klar proeuropäischen Lebensstils, der trotz aller Krisen stets darum bemüht war und ist, das Verbindende vor das Trennenden zu stellen und nicht nur Frankreich, sondern die gesamte Europäische Union auf der politischen Weltbühne gebührend vertritt."

(klepa/Red./Ag.)

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