„Kirche gab Kinderschändern Jobgarantie“

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325 Opfer haben sich bei der laut Eigendefinition kirchenunabhängigen Hotline gemeldet: 59 % erlebten sexuelle Gewalt. 12 % waren jünger als sechs Jahre. Insgesamt ergibt das 836 bisher bekannte Fälle.

Wien. „Die Kirche gab als einzige Institution Kinderschändern eine Jobgarantie.“ Dies ist das Resümee, das der Psychologe Philipp Schwärzler zieht. Er hat am Mittwoch einen Bericht über die bisherige Arbeit der laut Eigendefinition kirchenunabhängigen Opferschutzplattform präsentiert.

325 Opfer kirchlicher Gewalt haben sich bis Ende Oktober gemeldet, hinzu kommen noch jene 511, die laut zuletzt bekannt gegebenen Zahlen die Klasnic-Kommission kontaktiert haben. Ergibt 836 bisher bekannte Fälle (sexueller) Gewalt durch Mitglieder der Kirche. Die Kommission, die die frühere steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic leitet, betont gleichfalls ihre Unabhängigkeit. Kardinal Christoph Schönborn hat sie eingesetzt, die Kosten für die Infrastruktur werden von der katholische Kirche getragen. Schwärzler verlangt eine staatliche Kommission. Pfarrer Rudolf Schermann, der an der Pressekonferenz teilnahm, assistierte: „Ich wäre froh, wenn bissige Atheisten objektiv an diese Sache herangehen.“

72 Prozent der Opfer, die sich bei der Plattform gemeldet haben, waren Männer, zwölf Prozent zum Beginn der Übergriffe sechs Jahre und jünger. Sechs von zehn Fällen betreffen die 1960er- und 1970er-Jahre. Fast zwei Drittel der Täter waren Priester (63 Prozent). Wie es weitergeht? Plattform-Anwalt Werner Schostal hat Rechtsgutachten beauftragt, um Musterprozesse führen zu können. Eine Einigung mit der Klasnic-Kommission wurde nicht erzielt. Der Aufforderung, Zahlungen zu leisten, ist keine der Diözese nachgekommen. Sie haben auf die Klasnic-Kommission verwiesen. Und die katholische Kirche selbst hat begonnen, den ersten Opfern Entschädigungszahlungen zu leisten.

(c) Die Presse / Quelle: APA, Plattform für Betroffene kirchlicher Gewalt 2010

Vorwürfe gegen Schulamtschef

Neue Vorwürfe gibt es im Burgenland. Der vom neuen Bischof Ägidius Zsifkovics erst jüngst berufene Schulamtsleiter soll laut Bericht des ORF-Magazins „Report“ als Religionslehrer Kinder geschlagen haben. Dies berichtete anonym eine Mutter. Auch ein ehemaliger Religionsinspektor erzählte, ihm sei zu Ohren gekommen, der Geistliche sei „da und dort handgreiflich geworden“. Der Betroffene wies die Vorwürfe zurück: „Das stimmt nicht. Ich werde damit meinen Anwalt beschäftigen.“

Der Diözesanleitung sind seit dem Amtsantritt im September 2010 keine Anschuldigungen, weder schriftlich noch mündlich, zur Kenntnis gebracht worden, hieß es am Dienstag in einer Stellungnahme. Auch für die Zeit davor lägen keine schriftlichen Anschuldigungen vor. Sollten in dieser Zeit mündliche Vorwürfe erhoben worden sein, so wäre es Aufgabe des damaligen Direktors des Schulamtes bzw. des zuständigen Fachinspektors gewesen, diesen nachzugehen, wird in der Aussendung festgestellt. Die Diözese sei an einer Aufklärung sehr interessiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2010)

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