Übernahme

Meinungsfreiheit oder Anarchie? Was Musk für Twitter bedeutet

Elon Musk (hier bei der Eröffnung seiner Tesla-Fabrik in Deutschland im März) bezeichnet sich selbst als absolutistischen Verfechter der Meinungsfreiheit.
Elon Musk (hier bei der Eröffnung seiner Tesla-Fabrik in Deutschland im März) bezeichnet sich selbst als absolutistischen Verfechter der Meinungsfreiheit.(c) Getty Images (Pool)
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Der Tesla-Chef will den Kurznachrichtendienst von der Börse nehmen und plant, Algorithmen offenzulegen. Konsumentenschützer befürchten, dass künftig zu wenig gegen Hassrede und Falschinformation getan werden könnte.

Nun ist es fix: Elon Musk darf Twitter übernehmen. Der Verwaltungsrat hat am Montagabend seinen Widerstand gegen eine Übernahme durch den reichsten Mann der Welt abgelegt. Nun liegt es an den Aktionären, das Angebot anzunehmen. Musk bietet insgesamt 44 Milliarden Dollar für Twitter, pro Aktie will er 54,2 Dollar hinlegen. Die Aktie wurde nachbörslich um knapp 52 Dollar gehandelt, was bedeutet, dass noch nicht alle Marktteilnehmer überzeugt sind, dass die Übernahme gelingt.

Den Deal will Musk zur Hälfte mit einem Kredit finanzieren, zur anderen Hälfte will er ihn selbst stemmen. Musks Vermögen belief sich zuletzt auf mehr als 250 Mrd. Dollar, zum Großteil handelt es sich jedoch um Anteile am E-Autobauer Tesla und an der Weltraumfirma SpaceX.

Der 50-jährige Musk hat erst Anfang April bekanntgegeben, rund neun Prozent an Twitter zu besitzen. Es sei der "beste Weg vorwärts" für die Twitter-Aktionäre, sagte Verwaltungsratsmitglied Bret Taylor über Musks Barangebot von 54,20 Dollar je Aktie. Die Verhandlungen darüber hatten über das Wochenende Fahrt aufgenommen. Zunächst hatte Twitter zurückhaltend auf das Offert reagiert. Doch als Musk sein Finanzierungspaket auf den Tisch gelegt habe und kein anderer Bieter aufgetaucht sei, habe der Vorstand "mit dem Rücken zur Wand" gestanden, sagt Medienanalyst Daniel Ives von der Investmentfirma Wedbush.

Musk sieht "außerordentliches Potenzial"

Musk erklärte: "Twitter hat außerordentliches Potenzial. Ich freue mich darauf, mit dem Unternehmen und Nutzern daran zu arbeiten, es auszuschöpfen." Trotz stetig wachsender Nutzerzahlen und der Rolle des Dienstes beim politischen Austausch sprudeln bei Twitter im Gegensatz zu Konkurrenten wie Facebook oder Google bisher die Gewinne nicht. Am Donnerstag wird Twitter Einblick in das erste Quartal geben.

Auf Twitter selbst sorgte die Ankündigung für sehr große Aufregung. Elon Musk tritt mit dem Versprechen an, für mehr Meinungsfreiheit zu kämpfen. Kritiker meinen, er könnte künftig Hassrede und Falschinformation zulassen. Möglicherweise könnte Ex-US-Präsident Donald Trump wieder auf Twitter aktiv werden. Anfang 2021 hatte die Plattform Trumps Account nach der Erstürmung des US-Kapitols durch fanatische Anhänger des damals noch amtierenden Präsidenten gesperrt. Elon Musk, der sich selbst als „absolutistischen Verfechter der Meinungsfreiheit“ sieht, hatte vorgeschlagen, Nutzer nicht mehr dauerhaft sperren zu wollen, sondern unter Umständen eine Art Auszeit zu verhängen. Doch Trump, der inzwischen selbst eine Plattform namens „Truth Social“ betreibt, will nach eigenen Angaben ohnehin gar nicht auf Twitter zurückkehren.

Andere Kritiker werfen Musk vor, nicht zu konkretisieren, was er genau meint, wenn er die Meinungsfreiheit vorantreiben will. Tatsächlich hat er ein paar konkrete Ankündigungen getätigt. Er will Algorithmen öffentlich machen und über die Kriterien, nach denen Nutzer gesperrt oder  Tweets gelöscht werden, diskutieren lassen. Zudem will er alle Nutzer authentifizieren, um gegen so genannte Bots (Computerprogramme, die sich als menschliche Nutzer ausgeben und eine bestimmte Meinung verstärken) vorzugehen. Die Ankündigung löste auch Kritik aus, da manche Twitter-Nutzer lieber anonym bleiben wollen.

Technik-Visionär und Twitter-Rüpel

Was die Übernahme für Twitter selbst bedeutet, dazu gehen die Meinungen auseinander. Die einen fürchten, dass zu viel Macht in die Hände eines einzelnen, charakterlich nicht gerade einfachen Menschen geraten könnte. Die Zukunft von Twitter unter Elon Musk sei ungewiss, sagte auch Twitter-Chef Parag Agrawal zu Mitarbeitern. An Musk scheiden sich die Geister. Seine Fans sehen ihn in einer Reihe mit Unternehmerlegenden, die die Welt verändert haben - wie Steve Jobs, Henry Ford und Thomas Edison. Für seine Gegner ist er ein hemmungsloser Manipulator oder ein unreifer Störenfried, der sich gern über Regeln hinwegsetzt.

So verglich der Milliardär auf Twitter etwa den kanadischen Regierungschef Justin Trudeau mit Hitler. Einen britischen Taucher, mit dem er Streit hatte, bezeichnete er als Pädophilen. Musk ist jemand, der generell schnell ausfällig wird. Erst dieses Wochenende schrieb er zu einem Foto von Microsoft-Gründer Bill Gates, der Anblick sei der sicherste Weg, eine unwillkommene Erektion loszuwerden. Hinzu kommt, dass Musk eine große Fangemeinde hat, die sich unter anderem bei Twitter um ihn schart. So kommt es nicht nur dazu, dass Kritiker einen schweren Stand haben, sondern ein kryptischer Tweet von Musk ausreichen kann, um zum Beispiel den Wert von Kryptowährungen schwanken zu lassen.

Das „Wall Street Journal“ kommentiert indes: „Merkt Musk, dass er in ein Wespennest sticht? Wird seine Vision funktionieren? Wer weiß. Aber es wird faszinierend sein zu beobachten, wie Musk versucht, die Kultur der progressiven Konformität im Silicon Valley zu durchbrechen.“
Beim Finanzdienst Bloomberg sieht Kommentator Matt Levine Twitter als liebstes Computerspiel von Musk - und da sei es für den reichsten Menschen der Welt nur logisch, sein Lieblingsspielzeug auch besitzen zu wollen.

(b. l./ ham/ag.)

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