Serie: Gefühlssache

„Jeder Haushalt braucht einen Kochlöffel und einen Vibrator“

Ihre Kundschaft öffne „Herz und Schoß“ in ihrem Geschäft: In Mariahilf führt Ingrid Mack einen frauenfreundlichen Sexshop und klärt ganz nebenbei sexuell auf.

„In den 80ern und 90ern ging man ja unbedarfter an die eigene Sexualität heran“, sagt Ingrid Mack, die ihr Tätigkeitsfeld auf ihrer Webseite unter„Erektionsbekleiderin und lebenshungrige Erotikfachfrau“ zusammenfasst. Die diplomierte Sexualpädagogin führt den Sexshop Liebenswert in der Wiener Esterhazygasse. Anfangs, also eben in den 90ern, handelte es sich um eine Kondomerie. Der HIV-Virus hatte auch Wien erreicht, viele Mythen und Halbfakten zum Thema kursierten. Schließlich erkrankte auch eine von Macks Freundinnen und sie beschloss aktiver in die Aufklärungsarbeit einzusteigen. Ein Kondomfachhandel bot sich an. Die Nachfrage bestand 1994 noch dafür, in Wien gab es kaum Angebot.

28 Jahre später ist die Kondomerie zu einem „Fachgeschäft für Frauen und alle, die Frauen lieben“ herangewachsen. „Das ist kein Sexshop für Hinz und Kunz, bei uns gibt es keine frauenfeindlichen Videos, man kauft auch nicht die Katze im Sack, kann alles angreifen und anriechen und wird gut beraten“, sagt Mack. Erst stockte Mack Vibratoren auf, immerhin waren Anfang der 2000er nur Modelle aus Jelly im Umlauf. Der Kunststoff, der auch in der Flip-Flop-Produktion zum Einsatz kommt, wird mit Weichmachern hergestellt, die teilweise Schadstoffe abgeben. Werden diese durch die Schleimhäute aufgenommen, kann das gesundheitliche Folgen haben. „Da war ich wieder aufgerufen, etwas zu tun“, sagt Mack.

Sie importierte damals Vibratoren und Dildos aus Silikon aus Deutschland nach Wien. Mittlerweile hat sich das Sortiment erweitert. Bei Liebenswert findet man Dildos aus heimischer Kirsche oder Lerche, Glas, Jade, Edelstahl, Halbedelsteinen oder Rosenquarz. „Wie ich immer sage: In jedem Haushalt braucht es mindestens einen Kochlöffel und einen Vibrator. Wie viele Kochlöffel haben Sie Zuhause?“, sagt Mack. Bei Dildo und Vibrator ist es nicht geblieben. „Die Kundinnen und Kunden sind immer wieder mit neuen Bedürfnissen an mich herangetreten: Ingrid, warum hast du keine frauenfreundlichen Pornos, warum keine schöne Unterwäsche, warum keine Harnesse...“.

Ihre Kundschaft besteht aus zwei großen Schichten: Einmal Frauen zwischen 40 und 50, die nach der Scheidung oder vor dem Wechsel die eigene Sexualität neu ergründen wollen. Und Frauen zwischen 25 und 35, die Sex genießen und ihre Lust ganz selbstverständlich selbst in die Hand nehmen wollen.

Sexuelle Weiterbildung

Bei der Frage nach der Online-Konkurrenz zündet sich Mack erstmal eine Zigarette an. „Hinter Amorelie und Eis.de stehen Riesenkonzerne, die auch mit geringeren Gewinnspannen und oft auch viel minderer Qualität arbeiten. Da leiden alle stationären Sexshops darunter“, sagt sie. Deshalb sind es das sinnliche Einkaufserlebnis, Mundpropaganda und fachkundige Beratung, mit der sich das Team von Liebenswert hervortut. Auch ihre Mitarbeiterinnen sind zum großen Teil Sexualpädagoginnen oder Lebens- und Sozialberaterinnen, außerdem arbeitet Mack eng mit Gynäkologinnen zusammen, da sich auch immer wieder Frauen mit Vaginismus an sie wenden.

„Ein Sexshop ist auch eine Weiterbildungsstätte“, sagt Mack. Sachbücher und -Videos zu Themen wie Kamasutra, Tantra, Analsex seien sehr gefragt. Und auch wenn sie besonders in den letzten zehn Jahren viel gewandelt habe - laut einer Umfrage von Durex verwenden immerhin 43 Prozent der in Österreich lebenden Menschen Sextoys und andere Hilfsmittel beim Sex - und Medien sowie das Fernsehen viel offener mit dem Thema Sexualität umgingen, sei der Aufklärungsbedarf immer noch verblüffend.

„Mehr als die Hälfte der Männer hat keine Ahnung, wie der Eisprung funktioniert, viele Frauen haben keine Ahnung, wie die Klitoris aufgebaut ist oder ob es nun den G-Punkt wirklich gibt“, erzählt Mack von der Erfahrung mit ihrer Kundschaft. Gleichzeitig steige der Druck, ein aufregendes Sexleben zu haben. Regelmäßig bietet sie für kleine Gruppen zweitägige Orgasmuskurse an. Erst erklärt sie Teilnehmenden die eigene Anatomie, versucht Mythen rund um multiple Orgasmen und die weibliche Rolle im Bett aufzuklären, gibt Hausaufgaben. Die Frauen müssten sich Zuhause selbst beschauen, begreifen und kennenlernen, den Beckenboden und die richtige Atmung trainieren. „Einen Orgasmus bekommt man nicht, den muss man sich holen. Aber das Schöne ist: Guter Sex ist konditionierbar“, sagt Mack.

Die Serie „Gefühlssache“ erscheint immer mittwochs und beschäftigt sich mit Themen rund um zwischenmenschliche Beziehungen, Sexualität und Selbstliebe. Alle Texte finden Sie unter diepresse.com/gefuehlssache. Geschrieben wird sie von Eva Dinnewitzer, Christine Mayrhofer und Sissy Rabl. Bei Fragen, Anmerkungen, Themenvorschlägen und Kritik schreiben Sie uns gerne an diese E-Mail-Adresse: schaufenster@diepresse.com.

Adresse

Liebenswert: Erotikfachgeschäft
Esterhazygasse 26
1060 Wien

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