Gastkommentar

Ein erster Schritt zur Enteignung

Schon wieder machen Parteien für die Leerstandsabgabe mobil. Gegenargumente aus der Sicht eines Betroffenen.

Mag. Richard Sterl (*1949) ist Eigentümer von dem Richtwertregime unterliegenden Liegenschaften.

Im Land Salzburg gibt es ein abgeschlossenes Begutachtungsverfahren, die Steiermark und Tirol arbeiten an einem Gesetzesentwurf, in Wien ist es seit der Ankündigung der SPÖ im Vorjahr still um die Einführung einer Leerstandsabgabe geworden. Die nunmehr KPÖ-regierte Stadt Graz denkt seit Jahren darüber nach; ganz aktuell auch die SPÖ Klagenfurt. In Salzburg sind es ÖVP, Grüne und Neos, die eine Abgabe auf leer stehende Wohnungen einführen wollen, in Tirol ÖVP und Grüne, in der Steiermark ÖVP und SPÖ.

Allen Ländern und Städten ist gemein, dass sie nicht genau wissen, wie viele leer stehende Wohnungen es gibt. Daher können die Regierungen auch nicht wissen, wie viel eine solche Abgabe bringen würde, geschweige denn wissen sie, welcher administrative Aufwand sich ergeben würde. In einem Konzern wäre diese Vorgangsweise undenkbar! Für mich stellt sich unter anderem die Frage, wie erhoben werden soll, welche Wohnungen leer stehen. Wer will mich als Eigentümer auf welcher rechtlichen Basis zwingen, Leerstehungen bekannt zu geben? In manchen Gemeinden im Land Salzburg werden bereits Detektive eingesetzt und allgemeine Ermittlungsschritte gesetzt, um leer stehende Wohnungen zu erheben. Das wäre wohl ein Rückschritt in die finstersten Zeiten der Republik. Was sagt eigentlich, unter anderem, der Österreichische Gemeindebund dazu?

„Gamsbartförderalismus“

Wie immer in Österreich wird nicht bundesweit nachgedacht, sondern dem „Gamsbartföderalismus“ (©Josef Urschitz) gehuldigt. Jedes Bundesland hat andere Ideen für die Bemessungsgrundlage. Die Arbeiterkammer, welche natürlich auch mitredet (wieso eigentlich?), will sich an den Betriebskosten orientieren; auf die Dauer der Leerstehung wird gleich gar nicht eingegangen, sondern die Abgabe auf das ganze Jahr gerechnet. Und die Grünen in Wien wollen – ganz aktuell – die Abgabe „in Höhe von zwei Dritteln des Wiener Richtwerts pro Quadratmeter und Monat“ festsetzen. Das wäre die höchste Abgabe aller Bundesländer, beim zweitniedrigsten Richtwert in Österreich. Ja, wirtschaftliches Verständnis hat man oder eben nicht.

Wenn ich manche Ausnahmen lese, frage ich mich, wer die geforderten Gutachten beauftragen und vor allem bezahlen soll und auf welcher rechtlichen Basis ich als Wohnungseigentümer die Erstellung solcher überhaupt zulassen müsste. Und warum soll für Gemeinden eine Ausnahme vorgesehen sein, weil diese „wohl ihren Wohnraum nicht spekulativ leer stehen lassen würden“? Wer bitte maßt sich an, dies Gemeinden zuzugestehen und privaten Wohnungseigentümern nicht?

Davon abgesehen halte ich eine Leerstandsabgabe für einen unzulässigen Eingriff in das Recht auf Privateigentum und für den ersten Schritt zur Enteignung. Bei privaten Wohnungseigentümern ist der Leerstand von Wohnungen weder einkalkuliert noch erwünscht. Es hat doch jeder wirtschaftlich denkende Wohnungseigentümer Interesse, seine Wohnung(en) nicht lang leer stehen zu lassen, sondern diese möglichst rasch zu vermieten, auch, weil die Betriebskosten weiterlaufen. Aber wirtschaftliches Denken scheint allen genannten Parteien, was mich bei der ÖVP nur mehr bedingt und bei den Neos doch sehr wundert, bei der SPÖ und den Grünen aber gar nicht, fremd zu sein.

Übrigens: Ich habe vor Wochen allen Parteien in den zuvor angeführten Bundesländern und der Stadt Graz meine Gedanken zum Thema geschickt. Mit Ausnahme der Grünen Tirol habe ich keine Antwort bekommen. Das spricht wohl auch für sich.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2022)

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