Serie „Gaslit“: Eine Frau im Zentrum der Watergate-Affäre

Keine Heldin im klassischen Sinn: Martha Mitchell, grandios gespielt von Julia Roberts.
Keine Heldin im klassischen Sinn: Martha Mitchell, grandios gespielt von Julia Roberts.(c) Starzplay
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Julia Roberts überzeugt als Politikergattin, die sich gern in Szene setzt und zur Whistleblowerin wird. „Gaslit“ erzählt eine bekannte Geschichte flott aus einer neuen Perspektive.

Ohne Martha Mitchell hätte es kein Watergate gegeben.“ Es gibt nichts zu deuteln an dem Satz, den der ehemalige US-Präsident Richard Nixon nach seinem Rücktritt im 28 Stunden langen Interview mit David Frost in den Raum stellte. Und doch kommt die schillernde Politikergattin in der Rezeption des Skandals nicht vor. Serienschöpfer Robbie Pickering, der sich selbst einen „Nixon-Geek“ nennt, hat ihr mit der Miniserie „Gaslit“ ein Denkmal gesetzt.

Die Figur der Martha Mitchell gibt das allemal her: Eine prominente Südstaaten-Schönheit, die brisante Geheimnisse kannte und sich kein Blatt vor den Mund nahm. Man sieht sie auf Partys, aufwendig gestylt und niemals nüchtern. Wenige Monate vor dem legendär misslungenen Einbruch in die Zentrale des Hauptquartiers der Demokratischen Partei 1972 wird bereits getuschelt über sie. Ihren Lebensstil. Ihre Angewohnheit, zu viel und jedenfalls das Falsche zu sagen. Sie ist nicht mehr allzu beliebt in republikanischen Kreisen, seit sie über Nixons Politik herzieht. Was ihr herzlich egal zu sein scheint: Wenn sie nicht mehr willkommen sei in der Air Force One, erklärt sie einer Journalistin, werde sie eben einen Linienflug nehmen. Breites Lächeln.

(c) Hilary Bronwyn Gayle

Für ihren Mann sieht die Sache freilich anders aus. Der Justizminister und Leiter von Nixons Wiederwahl-Kampagne war maßgeblich an den schmutzigen Tricks und kriminellen Aktionen beteiligt, über die seine Frau hier und dort Details ausplauderte. Die historisch meist akkurate Serie, zu sehen auf dem Amazon-Kanal Starzplay, stellt die Beziehung der beiden im Mittelpunkt – eine Hassliebe, die schließlich immer mehr Richtung Verachtung pendelt. Immer mehr werden ihre Aussagen zur Gefahr für ihn, schließlich schickt er sie nach Kalifornien, lässt sie bewachen. Denn die Watergate-Einbrecher wurden gefasst, ihre Bilder sind in den Medien. Martha soll sie nicht sehen, sie würde sie zuordnen können.

Diese Gefangenschaft ist der Höhepunkt des Versuchs, sie ruhig zu stellen, und erklärt, wie es zum Titel der Serie kam: Von „Gaslighting“ spricht man, wenn Menschen gezielt desorientiert und verunsichert werden, ihre Wahrnehmung infrage gestellt wird. Martha wird die Möglichkeit der Kommunikation genommen. Ein Arzt verschreibt ihr „zur Beruhigung“ starke Tabletten, ein FBI-Beamter schlägt und sediert sie, als sie aus dem Hotelzimmer zu fliehen versucht und Kontakt mit der Außenwelt aufnehmen will. Es sei doch alles in Ordnung, wird ihr gesagt. Was habe sie denn nur?

Männliche Helden, keine weiblichen

Julia Roberts spielt die Rolle grandios, sie lässt die Grande Dame glänzen und torkeln. Und spätnachts am Telefon nach journalistischer Aufmerksamkeit heischen. Sean Penn, den man als grobschlächtigen Politiker mit angeklebtem Doppelkinn und Glatze kaum erkennt, gibt ihren Mann. Es ist ebenso perfide wie naheliegend, wie die in den Skandal involvierten Männer gegen Mitchells Anschuldigungen vorgingen: Sie diskreditieren sie. Dass das in den 70er Jahren einer Frau passierte, ist wohl kein Zufall. Genauso wenig, dass die Erzählungen über Watergate bisher ohne Martha Mitchell auskamen. Eine problembeladene weibliche Figur? Einfacher ist es doch,saubere, männliche Helden darzustellen. Wie in „Die Unbestechlichen“ (1976) die Journalisten, die den Watergate-Skandal später öffentlich machten. Als unbeugsame Kämpferin für die Wahrheit taugt Martha jedenfalls nicht. Sie ist nicht nur beschädigt, sie schädigt auch. Ihre elfjährige Tochter etwa, die sich auf den Partys der Eltern hemmungslos betrinkt.

Doch in „Gaslit“ wird vor allem ein Sittenbild skrupelloser Männer gezeichnet: Machtgierig sind sie, diese Beamten, dabei aber nicht unbedingt geschickt. Teils hat die Serie damit Züge einer Gaunerkomödie. Sie stellt die Gruppe der Verschwörer als Tölpel dar, die über dämliche Ideen und stümperhafte Umsetzungen stolpern. „Was, wenn sie uns gar nicht einen Schritt voraus sind?“, fragt einer der Ermittler irgendwann seinen Partner. Etwas später steigt die schwangere Ehefrau eines Verdächtigen zu ihnen ins Auto, isst ihnen die Pizza weg und erklärt, dass ihr Gatte nun mal nicht besonders intelligent sei. Herrlich unbeholfen auch der Karrierist John Dean („Downton Abbey“-Beau Dan Stevens), der als Sündenbock bestimmt wurde. Und der Chef des FBI kann nicht mal ordentlich Burger braten, geschweige denn Geheimnisse vertuschen.

John Dean (Dan Stevens) ist moralisch etwas flexibler als seine Freundin.
John Dean (Dan Stevens) ist moralisch etwas flexibler als seine Freundin. (c) Starzplay

Mehr als sechs Stunden nimmt sich die Serie Zeit, um die Geschichte zu erzählen, und schafft dabei eine Gratwanderung zwischen zwischen politischem Thriller und Farce. Spät, aber doch darf Martha Mitchell sagen, was zu sagen war. Die Genugtuung, dass sich ihre Vorwürfe gegen Nixon als wahr erwiesen, hatte sie übrigens nicht mehr: Sie starb 1976 mit 57 Jahren an Krebs. Ihr musste es reichen, dass sie dem Präsidenten schlaflose Nächte bereitete.

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