Zuwanderung

EU will legale Migration ankurbeln

Die Kommission strebt eine erleichterte Aufenthaltsgenehmigung und mehr Schutz für Arbeitnehmer aus Drittstaaten an. Europa soll so attraktiver werden.

Das Problem ist wohlbekannt: Restaurants müssen schließen, weil sie keine Mitarbeiter mehr finden, Transportunternehmen suchen händeringend nach Fahrern und Altenheimen gehen die Pfleger aus. Der Arbeitskräftemangel zählt in Österreich und vielen anderen EU-Ländern zu den größten Sorgen mittelständischer Unternehmen vor allem im Tourismus-, Transport- und Energiesektor. Mit einem neuen Vorschlag zur legalen Migration versucht die EU-Kommission diesem Problem gegenzusteuern – und die Union für Facharbeiter aus Drittländern interessanter zu machen.

„Wir brauchen ein gemeinsames Konzept für die Arbeitsmigration, um den Qualifikationsbedarf der EU langfristig zu decken“, betonte Vizepräsident Margaritis Schinas am gestrigen Mittwoch bei der Präsentation des Pakets in Brüssel. Demnach soll es künftig leichter sein, einen langfristigen Aufenthaltsstatus in der EU zu erlangen: Bisher müssen Migranten für eine Aufenthaltsberechtigung fünf Jahre im selben Mitgliedstaat leben. Beim Umzug in ein anderes EU-Land beginnt die Zeit von Neuem zu laufen. Nach dem Willen der Kommission sollen Aufenthaltszeiten in unterschiedlichen Mitgliedstaaten künftig kumuliert und die Rechte der Betroffenen gestärkt werden, indem Familienzusammenführung und Mobilität erleichtert werden.

Zudem strebt die Brüsseler Behörde an, dass Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen über dasselbe Verfahren vergeben werden – was den Prozess für Antragsteller wie Arbeitgeber erleichtern würde. Der Antrag soll sowohl aus Drittstaaten als auch innerhalb der EU gestellt werden können. „Jährlich kommen zwei bis drei Millionen Drittstaatsangehörige auf legalem Weg in die EU, im Gegensatz zu 125.000 bis 200.000 irregulär Einreisenden. Legale Migration ist unerlässlich, damit sich unsere Wirtschaft erholt und der digitale und ökologische Wandel bewältigt werden“, so Innenkommissarin Ylva Johansson. Um den europäischen Arbeitsmarkt attraktiver zu machen, müsse auch der Schutz vor Ausbeutung eingedämmt werden. Die Arbeitserlaubnis dürfe nicht entzogen werden, wenn der Arbeitgeber gewechselt wird oder ein Betroffener zeitweise arbeitslos sei.

Über fünf Millionen Ukraine-Flüchtlinge

Mit dem Paket will die Kommission freilich auch dem Umstand Rechnung tragen, dass seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor zwei Monaten bereits über fünf Millionen Menschen aus der Ukraine Richtung EU geflüchtet sind: Deren Integration in den Arbeitsmarkt soll erleichtert werden, und zwar mithilfe einer EU-weiten Plattform, wo Arbeitswillige sich unbürokratisch bewerben können. Diese „Pilotinitiative“ soll bereits im kommenden Sommer starten, heißt es in Brüssel – ein durchaus ambitionierter Zeitplan. Langfristig soll ein sogenannter Fachkräftepool auch Arbeitnehmer aus anderen Drittstaaten anlocken, die sich auf diese Weise ein Bild davon machen können, wo in der EU ihr Talent gefragt ist. Schon bis Ende des Jahres sollen weitere „Fachkräfte-Partnerschaften“ mit Marokko, Tunesien und Ägypten folgen. Besonderer Augenmerk soll auch hier auf die Anwerbung von Fachkräften in Branchen wie der Pflege und dem Tourismus gelegt werden, wo der Bedarf besonders hoch ist. Von den nordafrikanischen Ländern dürfte die EU-Kommission zugleich Zusagen im Kampf gegen unerwünschte Migration einfordern.

Das gestern präsentierte Paket enthält außerdem einen Vorschlag zur vollständigen Digitalisierung der Vergabe von Kurzzeit-Visa im Schengen-Raum bis zum Jahr 2025. Bis dato ist der Erhalt eines solchen Visums ein aufwendiger Prozess, da Antragsteller persönlich zur entsprechenden Botschaft – die sich mitunter nicht einmal im eigenen Land befindet – anreisen müssen. „Es ist höchste Zeit, dass die EU eine schnelle, sichere, web-basierte und vor allem moderne EU-Visumantragsplattform für Bürger von 102 Drittstaaten anbietet, die ein Visum für den kurzfristigen Aufenthalt benötigen, um in die EU einreisen zu können“, fordert Johansson.

Die Kommissionsvorschläge müssen nun noch zwischen Mitgliedstaaten und Europaparlament abgestimmt und beschlossen werden.

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