Nachruf

"Cyborg" und "Wahnfried": Techno-Vorreiter Klaus Schulze ist tot

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Er prägte große Werke des Krautrock, er beeinflusste Synthie-Pop genauso wie Techno. Nun ist Klaus Schulze, Meister der analogen und digitalen elektronischen Musik, 74-jährig gestorben.

„Bayreuth Return“, „Wahnfried“: So hießen die beiden (natürlich jeweils ungefähr halbstündigen) Tracks auf Klaus Schulzes wohl bekanntestem Soloalbum „Timewind“ (1975). Die Titel sagen einiges über Schulze – der eine Zeitlang das Pseudonym Richard Wahnfried verwendete – und über den Impetus des Krautrock, also des deutschen Kunstpop der frühen Siebzigerjahre. Wobei Schulzes Musik tatsächlich wenig von Wagner inspiriert war, allenfalls vom Anfang des „Rheingold“ (nach dem nannte er 2007 tatsächlich ein Live-Album). Aber das Bekenntnis zur großen Form, zum Mythenschwärmerei, zur deutschen Romantik und, ja, später auch zum Bombast, das war ihm wichtig. Begonnen hatte er mit irrwitzigem, wunderbarem Krach, als Schlagzeuger der Band Ash Ra Tempel, die mit Exerzitien wie „Amboss“ klangen wie Pink Floyd der „Saucerful of Secrets“-Phase, nur mit noch längerem Atem und noch viel eingerauchter.

Auch beim ersten Album von Tangerine Dream, „Electric Meditation“, war er dabei: In Tracks wie „Journey Through A Burning Brain“ (!) hörte man noch nichts von der Beschaulichkeit, die spätere Werke der Band charakterisierte. Wie übrigens auch die Mittsiebziger-Soloalben von Schulze, der ästhetisch einen ganz ähnlichen Weg ging wie seine Ex-Band. Polemisch gesagt: Endstation New Age. Andererseits muss man sagen, dass Alben wie „Mirage“ heute wie Fingerübungen wie Materialsammlungen für den Synthie-Pop der Achtzigerjahre klingen. Konsequenterweise arbeitete Schulze 1988 mit der Band Alphaville, 1995 mit Snap.

Seine Musik inspirierte auch die meditativ gesinnteren Techno-Fans, vor allem jene der Goa-Fraktion. In seiner unschuldigen Technikbegeisterung hatte Schulze – wie viele seiner Krautrock-Kollegen – ja viele Motive vorweggenommen, die erst viel später die Populärkultur durchfluten sollten: Schon 1973 nannte er ein Album „Cyborg“. Es war das erste, auf dem er Synthesizer verwendete. Diese waren damals noch mindestens so groß wie die Schaltzentrale des Raumschiffe Enterprise – und sahen mindestens so beeindruckend aus: Fotos aus dieser Pionierzeit zeigen Schulz als sanften, fast kindlichen Hippie vor wildem Kabelgewirr.

Apropos Pionierleistungen: Die Ars Electronica in Linz war gewiss eine solche. Schon 1980, bei der zweiten Ausgabe war Schulze dabei – mit der eigens konzipierten „Linzer Stahlsinfonie“, aufbauend aus Werksgeräuschen aus der Voest. Ein Jahr später, 1981, war Schulzes Music – auf dem Album „Dig It“ – schon rein digital. Er entdeckte auch früh das Sampling. Stets auf technische Innovation bedacht, verwaltete er sein eigenes Werk gründlich, etwa mit der Serie „La Vie Electronique“. Nur das Album „Aphrica“ (1984), entstanden mit dem Wiener Maler Ernst Fuchs, nahm er nicht in seinen Backkatalog auf: Er empfand Fuchs' Gesangsversuche als unfreiwillig komisch. Und komisch sollte seine Musik nicht sein, nur kosmisch. Und heilsam natürlich. Das Herz der Musik sei Stille, sagte er 2019 im Interview mit der „Presse“ – und beschrieb eines seiner letzten Stücke, „Der lange Blick zurück“, so: „Ich ließ meine musikalische Evolution Revue passieren und sah die Bilder an mir vorbeiziehen. Das war ein bisschen wie bei ,Alice im Wunderland‘.

Am Dienstag ist Klaus Schulze, Pionier in vielem, nach langer Krankheit im Alter von 74 Jahren gestorben.

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