Abfallverwertungstechnik

Wie Mineralwollabfälle wieder wertvoll werden können

Nahaufnahme: Mineralwollabfall unter dem Rasterelektronenmikroskop.
Nahaufnahme: Mineralwollabfall unter dem Rasterelektronenmikroskop. Theresa Sattler/Montanuniversität Leoben
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Alte Mineralwolle, die beim Abbruch von Häusern zurückbleibt, belastet als gefährlicher Abfall die Deponien. Ein steirisches Forschungsprojekt sucht nun nach Möglichkeiten, die krebserregenden Fasern unschädlich zu machen und zu verwerten.

Jeder Häuslbauer kennt Mineralwolle als ausgezeichnetes Dämmmaterial, das unter anderem dazu beiträgt, den Heizbedarf zu senken und Energie zu sparen. Wer hingegen ein altes Haus abreißen lässt, hat mit den künstlichen Fasern weniger Freude. Sie müssen laut derzeit geltenden gesetzlichen Richtlinien als gefährlicher Abfall unter besonderen Vorkehrungen und kostenintensiv auf Deponien gelagert werden. Jene Dämmstoffe, die vor technischen Umstellungen bei der Produktion im Jahr 1998 erzeugt wurden, können beim Einatmen das Lungengewebe schädigen und gelten als krebserregend.

„An ein Recycling dieser ,alten Mineralwolle‘ hat sich in Österreich bislang noch keiner gewagt“, sagt Theresa Sattler, Dissertantin am Lehrstuhl für Abfallverwertungstechnik und Abfallwirtschaft der Montanuniversität Leoben. Mit ihrer Forschung will sie das Unmögliche möglich machen: Sie entwickelt Methoden, um solche Mineralwollabfälle in den Wertstoffkreislauf zurückzuführen und damit zum einen Ressourcen zu sparen und zum anderen die Deponien zu entlasten. Erste Ansätze im Labormaßstab sind vielversprechend. „Die beste Option ist natürlich, den Mineralwollabfall zu rezyklieren und daraus ein neues Mineralwollprodukt zu machen, das den aktuellen Standards entspricht, von dem somit unter anderem keine Gesundheitsgefahr ausgeht.“ Im Labor sei es bereits gelungen, altes Material einzuschmelzen und daraus ein Granulat zu erzeugen. Um Wolle herzustellen, bedarf es jedoch größerer Mengen. „Entsprechende Versuche sind unser nächster Forschungsschritt“, erklärt Sattler.

Material ersetzt natürliche Rohstoffe

Eine Alternative zum Recycling ist die Einbindung der Mineralwollabfälle in die Zementerzeugung. „Dort kann das Material natürliche Rohstoffe ersetzen“, sagt die Forscherin. Bisherige Versuche im Labor haben gezeigt: Wird Mineralwolle zugesetzt, bevor das „Rohmehl“ im Drehrohrofen bei 1450 Grad Celsius zu Zementklinker gebrannt wird, verliert die Mineralwolle ihre fasrige Form und ist nicht mehr gesundheitsschädlich. „Zu beachten ist freilich, dass diese Rezeptur die Produktqualität des in weiteren Arbeitsschritten aus dem Klinker erzeugten Zements nicht beeinträchtigt“, sagt Sattler. „Unsere Tests scheinen das zu bestätigen.“ Wird der Mineralwollabfall hingegen erst nach dem Brennvorgang dem Klinker hinzugefügt, werde die Faserstruktur nicht vollständig zerstört, ergänzt sie.

In eine völlig andere Richtung geht eine weitere Verwertungsmöglichkeit, die Sattler in ihrer Arbeit aufzeigt: „Alte Mineralwolle eignet sich im Bergversatz, um einsturzgefährdete Hohlräume bei ehemaligen Bergwerken abzusichern.“ Üblicherweise wird dafür unter anderem Magerbeton verwendet. In Deutschland gibt es ein patentiertes Verfahren für die Verwertung von Mineralfasern im Bergversatz, in Österreich werden hingegen noch keine Versatzprodukte mit Mineralwollabfall erzeugt. „Stattdessen kann man ressourcenschonend eine Suspension mit Mineralwollabfällen und Bindemittel-Komponenten in die Hohlräume pumpen, wo sie dann aushärten und Stolleneinbrüche oder Absenkungen der Oberfläche verhindern.“ Die Herausforderung dabei: Es dürfen keine Schadstoffe ins Grundwasser gelangen. „Um das sicherzustellen, forschen wir derzeit noch an der idealen Zusammensetzung der Suspension“, sagt Sattler.

Ein hohes Volumen bei geringer Dichte

Selbst für Fälle, in denen weder ein Recycling des Dämmmaterials noch eine Alternativnutzung möglich ist und nur das Ablagern auf einer Deponie als Entsorgungsweg bleibt, sucht die Steirerin nach einer umweltverträglichen Lösung. „Eines der Probleme ist, dass Mineralwolle ein hohes Volumen bei geringer Dichte aufweist, auf den Deponien also viel Platz verbraucht.“ Um das Material zu verdichten, sodass es weniger Raum einnimmt, wird zunächst der Faserverbund durch Zerkleinern gelöst und der Abfall anschließend brikettiert.

Die Arbeit Sattlers stieß bereits auf Echo: Die Erkenntnisse flossen in die geplante Änderung der Deponieverordnung ein und die Forscherin wurde mit dem Wissenschaftspreis für Montanistinnen ausgezeichnet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2022)

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