Der ökonomische Blick

Wer trägt die Kosten der Klimakrise in Österreich?

Hochwasser
HochwasserAPA/EXPA/JFK
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Überflutungen treffen Geringverdienende indirekt stärker, der Katastrophenfonds hat Reformbedarf.

Soeben wurde der sechste Sachstandsbericht des Weltklimarates veröffentlicht. Erneut wird eindringlich vor den Risiken der Klimakrise gewarnt. Die globale Erwärmung liegt heute bereits bei rund 1,1°C und die damit verbundenen Auswirkungen sind schon deutlich spürbar. Stärker in den Fokus gerückt ist unter anderem das Thema Klimagerechtigkeit. Klar erkennbar ist ein Gefälle der Klimawandelkosten zwischen globalem Süden und globalem Norden, die Verteilung dieser Kosten innerhalb von Gesellschaften ist aber bislang nicht gut untersucht – auch nicht in Österreich.

Es stellt sich also die Frage, welche Bevölkerungsgruppen in welcher Weise und wie stark vom Klimawandel betroffen sind. Wie im Forschungsprojekt „COIN “ (coin.ccca.ac.at) gezeigt, gehen in Österreich die Schadenskosten durch Klimawandel bereits bei Einhaltung des 2°C-Ziels jährlich in die Milliarden, wobei hochwasserbedingte Überflutungen eines der größten Klimarisiken für Österreich darstellen. Es lohnt sich also eine Analyse, wie sich die daraus ergebenden Kosten auf unterschiedliche Gesellschaftsgruppen verteilen. Dies wird durch Effekte auf der Einkommens- und Ausgaben-Seite der privaten Haushalte bestimmt.

Jede Woche gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.

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Zunächst zur Einkommens-Seite: Überflutungen verursachen Schäden an materiellen Anlagen, wie Gebäuden oder Maschinen, sprich dem produktiven Kapitalstock einer Ökonomie. Dies führt zu reduzierter Produktion und einem Überangebot an anderen Produktionsmitteln, vor allem des Faktors Arbeit. Daraus ergeben sich Einkommenseffekte, wie das Aufwerten der verbleibenden Anlagen, da diese knapper werden, und zeitgleich das relative Abwerten von Arbeit. Dies bedeutet, dass sich Einkünfte aus der Vermietung von Gebäuden oder der Nutzung von Maschinen erhöhen, während Löhne sinken. Effekte, die durch den Wiederaufbau entstehen, sind besonders von der Arbeitsmarktlage abhängig. Sind Kapazitäten am Arbeitsmarkt in relevanten Branchen frei, kann Wiederaufbau kurzfristig stimulierend auf die Beschäftigung und das Arbeitseinkommen wirken, ist dies nicht der Fall, muss Arbeitskraft für den Wiederaufbau andernorts abgezogen werden, wo diese unter Umständen produktiver wäre. Sind also die Auftragsbücher von Baufirmen bereits gefüllt, führt eine erhöhte Nachfrage bestenfalls zu neutralen Verlagerungseffekten am Arbeitsmarkt und im Volkseinkommen, jedoch nicht zu erhöhtem Wachstum. Eine kürzlich veröffentlichte Umfrage der WKO zeigt, dass in Österreich in vielen Branchen ein Fachkräftemangel herrscht, begleitet von COVID19-bedingten Lieferengpässen. Im gegenwärtigen Zustand der Wirtschaft, würden Aktivitäten des Wiederaufbaus somit keinen wirtschaftlichen Stimulus auslösen. Soweit also die Effekte auf der Einkommens-Seite: Wer Kapital besitzt, kann langfristig Einkünfte steigern, während Haushalte, die einen relativ großen Einkommensanteil über Arbeit erwirtschaften, Lohndruck erfahren.

Nun zur Ausgaben-Seite: Für die realen Kaufkrafteffekte von Haushalten ist zentral, ob die Kosten aus Überflutungen über höhere Preise auf Endnachfrager:innen überwälzt werden. Geht man davon aus, werden vor allem kapitalintensive Güter und Dienstleistungen, wie Wohnen oder Infrastrukturdienstleistungen, teurer. Wirft man nun einen Blick auf die Konsumstrukturen unterschiedlicher Haushalte, stellt man fest, dass Geringverdienende höhere Anteile an solch kapitalintensiven Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs aufweisen.

Aus der Kombination von Effekten auf der Einkommens- und Ausgaben-Seite entsteht demnach vor allem Druck auf die Kaufkraft jener Haushalte, die relativ geringe Einkommen haben und dieses Einkommen zu weiten Teilen aus Arbeit erwirtschaften. Langfristig kommt es zu einer Umverteilung von Gering- zu Vielverdienenden.

Direkte und indirekte Schäden

Kurzfristig liegen die direkten Schäden einer Überflutung natürlich bei den Besitzer:innen von Anlagen und Wertgegenständen; und dort wird auch versucht seitens der öffentlichen Hand gegenzusteuern. Das zentrale Instrument dafür stellt in Österreich der Katastrophenfonds dar, der bis zu 80% der notwendigen Mittel für die Wiederherstellung des Zustands vor dem Ereignis (Zeitwert) kompensiert. Langfristige Verteilungseffekte bleiben jedoch unberücksichtigt. Problematisch ist, dass Auszahlungen weder einkommensabhängig noch risiko-basiert sind. Wird zum Beispiel ein Haus in einer Hochwasserzone beschädigt oder gar zerstört, gibt es Anreize für die Wiederherstellung des gleichen Zustands wie zuvor an selbiger Stelle, obwohl sich das zukünftige Risiko sogar erhöhen könnte. Finanziert wird dies zu guten Teilen aus Mitteln der Allgemeinheit, unabhängig davon, wie wohlhabend die Betroffenen sind und auch ohne jegliche Lenkungsmaßnahmen.

Gesellschaftliche Risiken im Sinne von Verteilungsungerechtigkeit als auch physikalisches Hochwasserrisiko im Sinne von Exposition werden somit bisher ignoriert bzw. durch die vorherrschenden Strukturen sogar verstärkt. Reformbedarf des Katastrophenfonds sowie der Raumplanung ist demnach in mehrerlei Hinsicht gegeben, besonders vor dem Hintergrund des fortschreitenden Klimawandels.

Dr. Gabriel Bachner ist Klimaökonom am Wegener Center für Klima und Globalen Wandel der Universität Graz und beschäftigt sich mit den makroökonomischen Wirkungen des Klimawandels und von Klimapolitik.

Dr. Nina Knittel forscht am Wegener Center für Klima und Globalen Wandel der Universität Graz zu den makroökonomischen Auswirkungen internationaler Klimawandelfolgen sowie zu den Kosten und Nutzen von Klimawandelanpassung.

Nina Knittel und Gabriel Bachner
Nina Knittel und Gabriel Bachner

Der Hintergrund dieses Beitrages wurde im Rahmen aktueller Forschungsprojekte des Wegener Centers für Klima und Globalen Wandel in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg untersucht (Projekt MacroMode. Macroeconomic Modelling of Indirect Risks for Climate Risk Management, gefördert vom Klima- und Energiefonds im Rahmen des Austrian Climate Research Programs,https://previous.iiasa.ac.at/web/home/research/researchPrograms/RISK/MacroMode.html

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