Coaching

Verkaufsgespräch mit Pferd und Sau

Fink (r.) führt eine andere Teilnehmerin mit verbundenen Augen durch den Slalom – eine Vertrauensübung.
Fink (r.) führt eine andere Teilnehmerin mit verbundenen Augen durch den Slalom – eine Vertrauensübung. Clemens Fabry
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In Einzel- oder Gruppentrainings mit Tieren lernen Führungskräfte, wie sich ihr unbewusstes Verhalten auf die Mitarbeiter auswirkt. Ziegen sind besonders gnadenlos.

Kein Mensch reagiert so vorurteilsfrei und ehrlich auf eine Handlung und die Körpersprache wie ein Tier. In unkonventionellen Führungskräftetrainings kommen daher Tiere zum Einsatz, die in Herden bzw. Rudeln leben und an Hierarchien gewöhnt sind: Pferde, Esel, Ziegen, Schweine, Hühner und Hunde.

Eveline Consolati und Iris Hoch holen zwei Pferde aus dem Stall Tromayer in Sittendorf. In den nächsten Stunden zeigen sie den Teilnehmern des „360-Grad-Feedbacks“ für Führungskräfte, darunter Theatermacherin Susita Fink, wie gut Pferde die Herausforderungen des Arbeitsalltags sichtbar machen. „Die Pferde sind nur ein Teil der Übungen, sie zeigen aber schnell die Schmerzpunkte des Teams auf“, sagt Consolati, ausgebildet zum pferdegestützten Coach, auf dem Weg in die Reithalle – geritten wird heute aber nicht. Bei der Begrüßung wird besprochen, was sich im Berufsleben ändern soll. „Bei simulierten Verkaufsgesprächen in Coachings sind Menschen untereinander oft gehemmt, vor allem, wenn sie sich nicht gut vertragen. Verbale Kommunikation und Körpersprache sind oft im Zwiespalt“, weiß Hoch aus ihrer Erfahrung als Unternehmensberaterin. „Pferde reagieren unmittelbar auf die Situation und die Ausstrahlung des Menschen, nicht auf seinen Charakter.“

Das Pferd als Spiegel

Das Training zielt darauf ab, alte Muster zu erkennen, um sie durchbrechen zu können. Bei der Aufgabe, das Pferd angeleint durch einen Slalom zu führen, bleibt das Tier plötzlich stehen und schaut aus dem Fenster. „Pferde spiegeln unser eigenes Verhalten wider“, sagt Consolati. Eine Teilnehmerin ist verblüfft – dieses Verhalten kenne sie gut von sich selbst.

Nach jeder Übung folgt eine kurze Fragerunde mit Praxistransfer. Das Verhältnis zwischen Manager und Mitarbeiter ist besonders bei der ersten Übung im Team spürbar: Eine Person verbindet sich die Augen und legt eine Hand auf die Schulter des Pferdes, die andere führt das Pferd am Strick. Fink ist selbst Reiterin, doch mit verbundenen Augen und geführt von einer fremden Person fühlt sie sich unwohl neben dem 600 Kilogramm schweren Tier: „Ich hatte Angst, dass mir das Pferd auf die Füße steigt. Das Vertrauen hat gefehlt“, sagt sie.

Das ambitionierte Ziel in diesem ersten Training: Die Pferde sollen dazu animiert werden, sich freiwillig auf eine Plane zu stellen und mit den Seminarteilnehmern Ball zu spielen. Erst als ihnen der Ball direkt zugespielt wird, werden die Tiere aufmerksam. Kaum abgewendet, folgen die Pferde. „Das Beispiel zeigt gut, wie wichtig es ist, Mitarbeiter aktiv einzubeziehen“, resümiert Consolati.

Die Presse/ Clemens Fabry

Hunde verfälschen das Bild

Wirtschaftswissenschafter Josef Wanas und seine Frau, Heidelinde, die mehrere Ausbildungen im tiergestützten Training absolviert hat, arbeiten im niederösterreichischen Karlstetten mit Managern, Kaschmirziegen, American Minipigs und Hunden zusammen – bald auch mit Hühnern und Eseln. „Die Tiere sollen groß genug sein, um Respekt zu erzeugen, aber klein genug, um nicht gefährlich zu sein“, sagt Josef Wanas. Hunde seien für die Führungskräftetrainings nicht optimal geeignet, weil sie alles tun, um dem Menschen zu gefallen. Für den Fall, dass jemand weder mit den Ziegen noch mit den Minischweinen umgehen kann, ist dennoch ein Hund zur Stelle. Das „Wanas Individuell Intensiv Tier-Training“ beginnt mit einer Beobachtungsrunde im Sesselkreis, in dessen Mitte die Tiere stehen. „Der Manager kann sich das Tier, mit dem er arbeiten will, nicht aussuchen. Das Tier trifft die Wahl“, sagt Wanas. Man dürfe die Beobachtungsgabe der Ziegen und das sensible Gehör der Schweine nicht unterschätzen: „Sie erkennen an der Ausstrahlung und der Stimme sofort, ob jemand nicht mit sich im Reinen oder die geborene Leitsau ist.“ Dabei kann es durchaus vorkommen, dass eine Führungskraft übrig bleibt.

Wanas

Die Tiere werden zwei Jahre lang darauf trainiert, ihr natürliches Verhalten zu zeigen, aber menschlichen Kontakt zuzulassen. Als einziges Kommando lernen sie „Stopp“, um aggressive Reaktionen zu unterbinden. „Manager wollen den Mitarbeitern ihren Willen oft aufzwingen, ohne auf Bedürfnisse zu achten. Vor allem Ziegen machen da nicht mit und reagieren mit Sturheit“, sagt Wanas. Die Geführten müssen folgen wollen.

Info

„360-Grad-Feedback“-Trainings mit Pferden bieten Eveline Consolati und Iris Hoch an: Schnuppertrainings am 15. 5. und 4. 9., Ganztagestrainings am 12. 6. und 18. 9. im Reitstall Tromayer in Sittendorf:www.eveline-consolati.at

• Trainings mit Ziegen, Minischweinen und Hunden gibt es bei Familie Wanas nach Vereinbarung in Karlstetten und bald als Kurs „Animal Assisted Leadership Design“ in der ARS Akademie: www.wiitt.at; www.ars.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2022)

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