Ukraine-Krieg

Ukrainer steigen von russischen auf westliche Waffen um

„Wir wachen mit dem Geräusch von Granaten auf": Ein ukrainischer Soldat über das Leben an der südöstlichen Frontlinie der Ukraine, in der Region Saporischschja.
„Wir wachen mit dem Geräusch von Granaten auf": Ein ukrainischer Soldat über das Leben an der südöstlichen Frontlinie der Ukraine, in der Region Saporischschja.REUTERS
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Die USA sichern Kiew weitere militärische Hilfe zu und unterstützen das ukrainische Militär dabei, auf Nato-Modelle umzusteigen. 213.000 ukrainische Haushalte sind derzeit ohne Gas und Wärme, aus dem heftig umkämpften Asow-Stahlwerk sollen 20 Zivilisten gerettet worden sein.

Das ukrainische Militär will so schnell wie möglich von russischen auf westlichen Waffen umsatteln. Hierfür stimmt man sich streng mit dem US-Militär ab, hieß es nach einem Telefonat zwischen dem ukrainischen Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj und US-Generalstabschef Mark Milley in der Nacht zu Sonntag auf Saluschnyjs Facebookseite. Demnach wurde dabei auch die schwierige Lage im Osten der Ukraine erörtert.

Saluschnyj betonte, dass die ukrainische Armee von sowjetischer Ausrüstung auf Nato-Modelle umsteigen müsse. "Und je früher wir diesen Prozess beginnen, desto eher werden wir ihn abschließen", hieß es. US-Präsident Joe Biden hatte zuvor angekündigt, er wolle weitere 33 Milliarden US-Dollar für Kiew beantragen. Davon ist ein großer Teil für Militärhilfen vorgesehen. Insgesamt sagten die Vereinigten Staaten der Ukraine seit Kriegsbeginn Ende Februar allein Waffen und Munition im Wert von mehr als 3,7 Milliarden US-Dollar (rund 3,5 Milliarden Euro) zu oder lieferten auch schon.

Der britische Premier Boris Johnson bekräftigte nach einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij, dass das Vereinigte Königreich weiterhin militärische und humanitäre Hilfe leisten werde, um den Ukrainern die Ausrüstung zu geben, die sie zur Selbstverteidigung benötigen. Er setzte sich dafür ein, die Ukraine zu stärken und dafür zu sorgen, dass der russische Präsident Wladimir Putin scheitert, schreibt Johnson auf Twitter Samstagabend.

Selenskij: 23.000 russische Soldaten gefallen

Selenskij sagte in seiner nächtlichen Ansprache, die er diesmal auf Russisch hielt, dass seit Kriegsbeginn 23.000 russische Soldaten in der Ukraine gefallen seien. Russland meldete seinerseits am Samstag mindestens 200 ukrainische Soldaten getötet zu haben. Die tatsächlichen militärischen Verluste auf beiden Seiten sind schwer abzuschätzen. Moskau gesteht bisher mehr als Tausend eigene Gefallene ein und beziffert seinerseits die Zahl der gefallenen ukrainischen Kämpfer auf mehr als 23.000.

Selenskij ging in seiner Ansprache erneut davon aus, dass die russische Armee "zusätzliche Kräfte" für Angriffe im Osten der Ukraine sammle, insbesondere aus der Region Charkiw. Er appellierte an das russische Militär: "Jeder russische Soldat kann immer noch sein Leben retten. Es ist besser für Sie, in Russland zu überleben, als in unserem Land zu sterben."

Der ukrainische Präsidentenberater Olexij Arestowytsch gab am Samstagabend nach Angaben der Agentur Unian an, dass seit bereits vier Tagen keine Truppenbewegungen aus Russland in Richtung Ukraine beobachtet wurden. Nach Russland hingegen werde "eine große Anzahl kaputter Ausrüstung, Verwundeter und Toter" zurückgebracht.

20 Zivilisten aus Asow-Stahlwerk gerettet

Aus dem heftig umkämpften Asow-Stahlwerk in der Hafenstadt Mariupol wurden am Samstag 20 Zivilisten evakuiert. Dem Asow-Regiment zufolge sollten die Frauen und Kinder nach Saporischschja gebracht werden. Laut einem Bericht der russischen Nachrichtenagentur Tass wurden 25 Zivilisten, unter ihnen sechs Kinder, aus dem Stahlwerk evakuiert. Die Ukraine meldete unterdessen den Fund dreier weiterer Leichen mit gefesselten Händen und Folterspuren in der Nähe des Kiewer Vororts Butscha.

Selenskij berichtete, dass die Ukraine weiter verhandle, um die Sanktionen gegen Russland zu verstärken. Man rechne in Kürze mit einer Entscheidung über Beschränkungen der Ölimporte aus Russland, sagte er. Die Ukraine wolle die zerstörte Start-und Landebahn des Flughafens von Odessa wieder aufbauen, sagte der Präsident weiter. Nach Angaben örtlicher ziviler und militärischer Behördenvertreter wurde die erst kürzlich erbaute Start-und Landebahn bei einem russischen Raketenangriff zerstört.

Zerstörte Landebahn, Schäden an Gasleitungsnetz

Der Bürgermeister von Odessa, Gennadey Trukhanov, sagte auf Facebook, es habe 10 Jahre gedauert, die neue Start- und Landebahn zu planen und zu bauen. Sie sei erst im vergangenen Juli feierlich in Betrieb genommen worden und sollte Touristen aus aller Welt in die Hafenstadt bringen.

Der Vorstandschef des größten ukrainischen Energieversorgers, Naftogaz, Yuriy Vitrenko, beklagte indes massive Schäden am Gasleitungsnetz seines Landes durch russische Truppen. "Täglich gibt es durch Bombardements neue Zerstörungen an der Infrastruktur, die wir ständig versuchen zu reparieren", sagt Vitrenko im Interview mit dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (RND) und fügte hinzu: "213.000 ukrainische Haushalte sind derzeit ohne Gas." Es gebe gewaltige Schäden am Gasnetz in großen Metropolen wie etwa Mariupol oder Charkiw, aber auch viele zerstörte Leitungen in den kleineren Städten und Dörfern in der Ostukraine.

Besuch aus der Türkei

Der Sprecher des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, Ibrahim Kalin, soll nach Angaben seines Büros am Samstag nach Kiew gereist sein. Zusammen mit Vize-Außenminister Sedat Önal sei er von Selenskij empfangen worden. Zum Inhalt des Gesprächs wurde zunächst nichts bekannt.

(APA/dpa/Reuters/AFP)

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