Diplomatie

Nicht Steinmeier oder Scholz, sondern CDU-Chef Merz reist nach Kiew

Friedrich Merz hat sich in der Ukraine zu Besuch angemeldet. (Archivbild)
Friedrich Merz hat sich in der Ukraine zu Besuch angemeldet. (Archivbild)APA/AFP/INA FASSBENDER
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Merz könne selbst entscheiden, ob er nach Kiew reise, hält der CDU-Chef seinen Kritikern entgegen. Finanzminister Lindner nennt es eine "komplizierte Situation“, denn Bundespräsident Steinmeier war von der Ukraine ausgeladen worden und Kanzler Scholz zögert.

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat seine geplante Reise nach Kiew gegen Kritik verteidigt. "Ich nehme für mich als Parlamentarier und als Oppositionsführer in Anspruch, selber darüber zu entscheiden, ob ich eine solche Reise mache oder nicht", sagte Merz am Montag in Köln nach einer gemeinsamen Sitzung der Präsidien von CDU und CSU. "Das hat nicht die Bundesregierung zu beurteilen oder gar zu kommentieren, das ist meine Entscheidung."

Er habe Bundeskanzler Olaf Scholz Samstagfrüh informiert, dass er reisen werde, so Merz. Er habe auch eine ausführliche Unterrichtung der deutschen Bundesregierung in Anspruch genommen. Das Bundeskriminalamt habe er nicht um eine Begleitung gebeten. "Und es hat auch ein entsprechendes Angebot des BKA nicht gegeben."

Merz sagte, er habe Scholz empfohlen, selbst in die Ukraine zu fahren. Dieser habe das in den vergangenen zwei Monaten aber nicht getan. "Es gibt aus meiner Sicht keine Veranlassung, jetzt irgendwo darauf zu warten, dass ein Mitglied der Bundesregierung eine Reise plant." Wenn er eingeladen werde, entscheide er selbst, ob er reise oder nicht. "Und ich frage auch nicht um Genehmigung."

Lindner: „Komplizierte Situation"

Finanzminister Christian Lindner sagte am Montag, es sei eine "komplizierte Situation" durch die Ausladung des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier durch die ukrainische Seite Mitte April entstanden. Dieser sei übrigens auch das Staatsoberhaupt von Friedrich Merz, fügte Lindner in Anspielung auf Reisepläne des Oppositionsführers hinzu.

Lindner äußerte Verständnis dafür, dass Kanzler Olaf Scholz seit Kriegsausbruch noch nicht nach Kiew gereist ist. "Über die Reisepläne des Bundeskanzlers kann und will ich öffentlich nicht urteilen", sagte der FDP-Chef der "Welt"-TV.

Merz hatte Kanzler Scholz "Zögern", "Zaudern" und "Ängstlichkeit" vorgeworfen. Scholz hingegen verteidigte zuletzt seinen Kurs. "Ich treffe meine Entscheidungen schnell - und abgestimmt mit unseren Verbündeten. Übereiltes Agieren und deutsche Alleingänge sind mir suspekt", sagte der SPD-Politiker der "Bild am Sonntag".

Söder: „Ein wichtiges Signal für Solidarität"

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hält indes die geplante Ukraine-Reise von Merz nicht für eine Brüskierung von Bundeskanzler Scholz. "Nein, überhaupt nicht", sagte Söder am Montag in Köln auf eine entsprechende Frage. Es sei vielmehr "ein wichtiges Signal für Solidarität".

Auch CDU-Präsidiumsmitglied Julia Klöckner sprach mit Blick auf die geplante Ukraine-Reise von CDU-Chef Merz von einem klaren Solidaritätszeichen. "Dass nun der Fraktionsvorsitzende der führenden Oppositionspartei in die Ukraine reist, ist richtig und ein klares Solidaritätszeichen", sagte die CDU-Politikerin der "Rheinischen Post". Wenn es richtig sei, "dass Regierung und Opposition gerade in entscheidenden Fragen staatspolitisch Verantwortung tragen, dann ist es richtig, dass Friedrich Merz in die Ukraine reist." Merz dürfte erst am heutigen Montagabend mit dem Zug nach Kiew aufbrechen, da er zuvor laut seinen Terminen noch an einer gemeinsamen Präsidiumssitzung von CDU und CSU in Köln teilnimmt.

Das Auswärtige Amt teilte unterdessen am Montag mit, dass man mit dem Büro des CDU-Chefs wegen dessen Reisewunsch in Kontakt sei. Da die Botschaft in Kiew aber nicht geöffnet habe, werde es keine Betreuung vor Ort geben. Merz selbst twitterte, dass er nicht um eine Begleitung durch das Bundeskriminalamt gebeten habe. Am Wochenende war bekannt geworden, dass Merz am Montag nach Kiew reisen will. Zu Details der Reise und etwaigen Gesprächspartnern in Kiew gab es zunächst keine Angaben.

Auch Linke-Delegation reist in die Ukraine

Unterdessen will auch der Linken-Außenpolitiker Gregor Gysi durch die Ukraine reisen und neben der Hauptstadt Kiew auch die Vororte Butscha und Irpin sowie die westukrainische Stadt Lwiw (Lemberg) besuchen. Wie Fraktionssprecher Michael Schlick am Montag mitteilte, wird der frühere Linken-Fraktionschef vom Kandidaten der Linken bei der Bundespräsidentenwahl im vergangenen Februar, Gerhard Trabert, begleitet. Geplant seien Besuche von Krankenhäusern, Notkliniken und Gespräche mit Vertretern von Hilfsorganisationen. Die Reise soll von Dienstag bis Sonntag stattfinden.

Die Fahrt durch das Kriegsgebiet findet ohne Personenschutz durch das Bundeskriminalamt und ohne Genehmigung des Bundestagspräsidiums statt. Schlick sagte, BKA und Bundestag hätten der dreiköpfigen Delegation, der neben Gysi und Trabert auch er selbst angehört, eine eintägige Reise vorgeschlagen. Das habe man aber abgelehnt und reise nun ohne BKA-Schutz.

(APA/Reuters/dpa)

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