Soziale Härte

Österreich trägt Ölembargo mit, Ungarn erhält Ausnahmen

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Mit Ausnahmen für die Slowakei und Ungarn hofft die Union, dem Kreml die wichtigste Devisenquelle trockenzulegen: den Ölexport. Der deutsche Wirtschaftsminister Habeck warnt vor sozialen Härten, die das bringen wird.

Die Europäische Union nimmt die letzten Hürden, um sich von russischen Ölimporten freizuspielen – und die größte, nämlich Ungarns Vetodrohung, könnte durch einen Kompromiss beiseitegeschoben werden: Laut der Nachrichtenagentur Reuters erwägt die Europäische Kommission, in ihrem Vorschlag für das Ölembargo Ungarn und der Slowakei Ausnahmen beziehungsweise eine besonders lange Übergangsphase zu gewähren, in der sie weiterhin Öl und Raffinerieprodukte aus Russland importieren dürfen. Sollte Ungarn dem zustimmen, wäre die erforderliche Einstimmigkeit für dieses bereits sechste Sanktionenpaket seit der Eskalation des 2014 begonnenen russischen Angriffskriegs auf die Ukraine vor zweieinhalb Monaten gegeben.

Bei den Energieministern der Mitgliedstaaten, die sich am Montag in Brüssel zu einem Sondertreffen versammelten, stieß die Idee einer Ausnahme für Ungarn und die Slowakei auf Zuspruch. „Die Situation ist unterschiedlich in unterschiedlichen Mitgliedstaaten. Für uns war es immer eine Voraussetzung: Wir müssen Sanktionen gemeinsam beschließen und gemeinsam tragen“, sagte Österreichs Energie- und Umweltministerin, Leonore Gewessler (Grüne). Auch ihre gleichfalls grüne Amtskollegin aus Belgien, Tinne Van der Straeten, pochte auf die Notwendigkeit einer Einigung aller 27. Und auch der ebenfalls grüne deutsche Minister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck, befürwortete so eine pragmatische Lösung. Man müsse „auf die ökonomischen Abhängigkeiten der Mitgliedsländer Rücksicht nehmen. Europa hat sich immer geeinigt, na ja, fast immer.“

„Gab nie ein Veto Österreichs“

Spätestens bis Mittwoch wird die Kommission ihren Vorschlag für die neuen Sanktionen vorlegen, die 27 EU-Botschafter werden sich dann sofort mit dem Text befassen. Gewessler betonte, dass die österreichische Regierung nie gegen ein Ölembargo aufgetreten sei: „Es gab nie ein Veto Österreichs. Wir haben immer nur Voraussetzungen formuliert. Wir müssen das gemeinsam tragen können als Kontinent“, sagte sie vor Beginn des Ministerrats. „Österreich ist bereit, ein Ölembargo auch konsequent mitzutragen.“ Sie verwies darauf, dass die OMV seit März kein russisches Öl mehr verarbeitet („Die Presse“ berichtete). „Wir sind vorbereitet“, fügte sie hinzu. Österreich ist allerdings sehr stark von kasachischem Rohöl abhängig.

Auswirkung auf Preis

Die Minister machten allerdings auch allesamt in ihren Stellungnahmen vor Sitzungsbeginn klar, dass die Folgen des Ölembargos für Europa groß sein werden. „Wir werden uns aber natürlich selbst schaden. Das ist völlig klar“, mahnte Habeck. „Alle werden einen Beitrag leisten müssen. Es ist undenkbar, dass Sanktionen ohne Folgen für die eigene Volkswirtschaft und die eigenen Preise sind. Kostenlos ist es nicht möglich, das hinzubekommen. Es wird Härten geben, und die Härten werden getragen werden müssen.“

Er unterstrich seine langjährige Forderung, den Einkauf russischer Energie zu reduzieren. Allerdings müsse man verhindern, dass Entwicklungsländer angesichts der stark steigenden Energiepreise nun in die politische Abhängigkeit vom Kreml getrieben werden: „Dann kommt Putin und sagt: Ich helf euch raus, und dazu gibt es noch Discount. Das Einzige, was ich will, ist politische Loyalität. Und dann werden diese Länder zu Russland gedrückt.“

Ölimporte sinken bereits

Die nun diskutierte Ausnahmeregel für Ungarn und die Slowakei ist der Notwendigkeit ihrer weiteren Versorgung geschuldet. Die beiden Länder sind vom russischen Öl ähnlich stark abhängig wie Österreich vom russischen Erdgas. Ungarn bezieht 58 Prozent, die Slowakei gar 96 Prozent ihrer Ölimporte aus Russland, zeigt die Statistik der Internationalen Energieagentur. EU-weit sind es durchschnittlich 26 Prozent, wobei die Tendenz fallend ist, schon vor Beschluss der Sanktionen.

Wie genau die Ausnahme aussieht, ist offen. Im Gespräch ist eine Streckung der Frist, bis zu der kein Öl mehr aus Russland bezogen werden darf, auf den Beginn des neuen Jahres.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2022)

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